Elazar Benyoëtz:Vielleicht, vielschwer

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Einer der größten Aphoristiker unserer Zeit wird achtzig: Elazar Benyoëtz. Seit vielen Jahren pflegt er die kleinste literarische Form als eine "Geistesart".

Von Volker Breidecker

Mit einer widerhakigen Wortschöpfung des wohl bedeutendsten Aphoristikers der Gegenwart gefragt: War es "Identitäuschung", dass dem heute vor achtzig Jahren als Paul Koppel in Wiener Neustadt geborenen israelischen Schriftsteller Elazar Benyoëtz im Jahr 1988 der Adalbert-von-Chamisso-Preis für Autoren von ausdrücklich nichtdeutscher sprachlicher Herkunft verliehen wurde? Allein dem Wahnwitz des Jahrhunderts ist zuzuschreiben, dass der für sein deutschsprachiges aphoristisches Werk zudem mit dem renommierten Joseph-Breitbach-Preis Geehrte von Kindesbeinen an mit dem Namen auch die Muttersprache gewechselt hatte. Nach dem "Anschluss" Österreichs an Hitler-Deutschland war der Zweijährige an der Seite seiner Eltern nach Palästina geflohen - bis der in seiner neuen Heimat längst erfolgreiche Lyriker hebräischer Zunge in den Sechzigerjahren erneut aufbrach, um den nunmehr umgekehrten "Weg als Jude und Israeli ins Deutsche" zu gehen und für mehrere Jahre in Berlin zu weilen. Der Untertitel von Benyoëtz' Aphorismenband "Allerwegsdahin" (2001) war ein Echo auf die kanonische Autobiografie "Mein Weg als Deutscher und Jude" des mitsamt dem illusionären Projekt einer deutsch-jüdischen Symbiose gescheiterten Schriftstellers Jakob Wassermann.

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