Drama:Weit gefehlt

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"El Club" ist ein Ort, in dem sündige Priester aus dem Verkehr gezogen werden, im preisgekrönten Film des Chilenen Pablo Larraín.

Von Fritz Göttler

Spaziergänge am Strand, Altherrengemächlichkeit. Mit einer einfachen, aber effektiven Mechanik bringen sie ihren Windhund zum Laufen. Ein Köder an einer Leine, die mit einem Rad schnell aufgespult wird, und der Hund rast blitzschnell. Das Training zahlt sich aus, beim Hunderennen in der Stadt schlägt der Hund die lokale Konkurrenz.

Grauer Himmel über dem Meer, Häuser mit ausgewaschenen Farben, trübes Straßenlicht in den Nächten. Pablo Larraíns fünfter Film ist ein Stück Trostlosigkeit par excellence. Vier Männer, festgehalten in einem Haus in einer kleinen Stadt an der nordchilenischen Küste, von einem strengen, manchmal absurden Reglement. Ob man's einen Club nennen mag oder ein Abschiebelager oder ein Asyl, sei dahingestellt - der Streit um Namen ist auch hier so sinnlos wie in der aktuellen Parteipolitik. Die Männer sind Priester, auf peinliche und überhebliche Weise straffällig geworden. Pädophil der eine, ein anderer hat den Militärs der Diktatur beim Foltern zugearbeitet, ein weiterer hat mit Babys gehandelt unter den Augen der Mütter. Im Club werden sie von der Kirche aus dem Verkehr gezogen und mit höchster Lustlosigkeit bestraft. Auf der Berlinale hat Pablo Larraín dafür einen Silbernen Bären, den großen Preis der Jury bekommen.

Am Strand gehen die Priester in "El Club" (hier: Alfredo Castro) spazieren, mit Fernglas - stehen wegen ihrer Vergehen aber selbst unter Beobachtung. (Foto: Piffl)

Ein weiterer Übeltäter wird in den Club eingewiesen, noch ein Pädophiler. In seinem Schlepptau taucht der verwirrte Sandokan auf, eins seiner Opfer. Er stellt sich vors Haus und plärrt stur all seine Leiden in die Welt hinaus. Der Priester greift genervt zur Pistole . . . Ein kleines Kammerspiel über die Qualen von Schuld und Sühne. Die Priester sehen sich, ihrem Selbstverständnis nach, als jenseits des gesellschaftlichen Gesetzes - Buñuel hat darüber seine durchtriebenen unkorrekten Filme gemacht. Nicht die Psychologie des Einzelnen interessiert Larraín in der Geschichte, sondern die soziologische Dynamik des Clubs, der Mechanismus der Vorwärtsverteidigung. "In den Nahaufnahmen wirken die Personen oft zerbrechlich", sagt Pablo Larraín, "als würden sie gleich umfallen, wenn man sie antippt. Aber wenn sie zusammen sind, wenn sie Blicke untereinander austauschen, werden sie stark. Diese Synergie innerhalb der Gruppe macht sie zu einer Bombe."

Böser Masochismus wurde dem Film vorgeworfen in der Filmzeitschrift Cinema Scope, dass das Oberklassenmitglied Larraín die Figuren der kleinbürgerlichen Welt verachtet. Der Film entwickelt eine klare jesuitische Logik - um die Bluttat zu klären, wird ein Priester zu unerbittlicher Aufklärung geschickt. Aber die Gemeinde der Sünder ist stärker, sie findet weiter Momente der Erregung, der Genugtuung im Club. Die Blicke beim Hunderennen sind nicht nur triumphal. Es spricht eine herzhafte Bosheit aus ihnen.

El Club, Chile 2015 - Regie: Pablo Larraín. Buch: Guillermo Calderón, Daniel Villalobos, Pablo Larraín. Kamera: Sergio Armstrong. Musik: Carlos Cabezas. Schnitt: Sebastián Sepúlveda. Mit: Alfredo Castro, Roberto Fariás, Antonia Zegers, Jaime Vadell, Alejandro Goic, Alejandro Sieveking, Marcelo Alonso, José Soza, Francisco Reyes. Piffl Medien, 97 Min.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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