Drama:Minimierung der Kampfzone

Lesezeit: 2 min

Ein Film über das legendäre Schachduell zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski.

Von Anke Sterneborg

Nach nur vier Zügen gilt es, unter 300 Milliarden Möglichkeiten abzuwägen - wie soll man da nicht verrückt werden? Genie und Wahnsinn gehen auf dem Schachbrett eine besondere Verbindung ein, wie Edward Zwick in seinem Drama "Bauernopfer - Spiel der Könige" nach einer wahren Geschichte erzählt.

Die Hauptfigur Bobby Fischer war ein Junge aus Brooklyn, dessen besonderes Talent als Schachspieler ihn in den Siebzigerjahren in den Fokus der Propagandainteressen Amerikas rückte. In jenen Zeiten also, als sich die Fronten des Kalten Krieges auch auf das Feld des Sports verlagerten. Das ganze Land fieberte mit, als Fischer 1972 in der isländischen Hauptstadt Reykjavík gegen den russischen Schachweltmeister Boris Spasski antrat. Erstmals hatte ein Amerikaner die Chance, das langjährige sowjetische Schachmonopol zu brechen. Eine große Bürde für einen jungen Mann wie Fischer, der zudem keine ganz einfache Persönlichkeit hatte: Er litt an Größenwahn und Neurosen, oszillierte zwischen Arroganz und Versagensangst.

Wahre Geschichten über sperrige, unangepasste Helden im Kampf für ein besseres Amerika haben den Regisseur Edward Zwick immer wieder gereizt, in Filmen wie "Blood Diamond" mit Leonardo DiCaprio oder "Glory" mit Denzel Washington. Aber noch nie war einer seiner Protagonisten so derangiert, getrieben und verloren wie der legendäre Schachweltmeister Bobby Fischer, der bei Zwick von Tobey Maguire gespielt wird. Die frühen biografischen Stationen dieser Figur werden flugs abgehakt, die schwierige Kindheit mit der alleinerziehenden Mutter, die ersten Erfolge als geniales Schachkind. Dann ist der Film bald beim großen Duell zwischen Fischer und Spasski in Reykjavík und verlässt diesen Schauplatz kaum noch.

Showdown in der Abstellkammer: Tobey Maguire als Bobby Fischer. (Foto: Studiocanal)

Weil das Schachspiel optisch wenig hermacht, nehmen die Spielfiguren nur eine untergeordnete Rolle ein. Stattdessen konzentriert sich Zwick auf die psychologische Kriegsführung der Kontrahenten, auf taxierende Blicke, undurchdringliche Mienen, reduzierte Gesten, die unterschwellige Nervosität verraten. Mit einer irrlichternden Kamera und rastlosen Schnitten schraubt er sich ganz unmittelbar in die Wahrnehmung seines verstörten Helden Bobby ein.

1972 war Fischer knapp dreißig, und der Schauspieler Tobey Maguire, der auch mit fast vierzig Jahren noch einen jungenhaften Charme hat, ist in Hollywood seit Jahren die Geheimwaffe für labile Kindmänner mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten und schwachen Nerven. Sein Bobby Fischer ist zugleich faszinierend und abstoßend, enervierend und charmant, unnachgiebig und verletzlich. Liev Schreiber setzt ihm als Spasski eine ruhige, bullige Präsenz entgegen. Ergänzt wird das Ensemble durch Michael Stuhlbarg, der die wohltemperierte Mischung aus Jovialität und Gefährlichkeit ausspielt, die er schon als "Boardwalk Empire"-Mafioso besaß, diesmal als Vertreter einer dubiosen Regierungsinstitution. Peter Sarsgaard vermittelt als Pater Lombardy eine versöhnliche Autorität, und ist zugleich dafür zuständig, ein unkundiges Publikum mit den Grundregeln des Schachs vertraut zu machen. Wenn der Pater und der Regierungsmann darum ringen, ihren schwierigen Schützling bei der Stange zu halten, dann erinnert das an kapriziöse Popstars, die von ihren Agenten oder Veranstaltern jeden Abend mühsam zum Konzertsaal dirigiert werden müssen.

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In jedem Knarzen eines Stuhls und im Blitzen jeder Fotokamera wittert der paranoide Fischer eine Verschwörung, einen Angriff auf seine Konzentration. Immer überzogener werden seine Forderungen im Verlauf des Turniers, bis er schließlich erreicht, dass in einer Abstellkammer weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit gespielt wird. Wüsste man nicht, dass es mit der geistigen Gesundheit von Fischer im Anschluss an den legendären Sieg ein böses Ende nahm, dann könnte man glauben, dass er ganz gezielt die Destabilisierung eines übermächtigen Gegners betrieb. Doch den eigentlichen Kampf trug er gegen seine inneren Dämonen aus.

Pawn Sacrifice , USA 2014 - Regie: Edward Zwick. Drehbuch: Steven Knight. Kamera: Bradford Young. Mit: Tobey Maguire, Liev Schreiber, Michael Stuhlbarg. Verleih: Studiocanal, 115 Minuten.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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