Dokumentation:Subversion im Wohnzimmer

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Die lustige Doku "Chuck Norris und der Kommunismus" erzählt von der heimlichen Liebe der Rumänen zu amerikanischen Actionstars, während sie unter der Diktatur von Nicolae Ceaușescu litten.

Von Susan Vahabzadeh

Kleiner Tipp für Diktatoren: Es reicht nicht, etwas zu verfügen - man muss immer auch jemanden haben, der es durchsetzt. Genau das scheint das Problem gewesen zu sein mit der Zensur amerikanischer Filme in Rumänien, in den Achtzigerjahren. Ilinca Calugareanus Dokumentarfilm "Chuck Norris und der Kommunismus" erzählt davon: Kaum war der Videorekorder in der Welt, zog sich so ziemlich jeder Rumäne imperialistische Raubkopien rein bis zum Umfallen. Die Funktionäre dachten, sie wären die Einzigen, die ihren gefestigten Geist den antikommunistischen Actionkrachern mit Chuck Norris und Sylvester Stallone aussetzten. Während sich in Wirklichkeit die halbe Nation in abgedunkelten Wohnzimmern vor dem Fernseher traf und "Rambo" anhimmelte, heimlich natürlich, aber unheimlich oft. Es ist eine wirklich kuriose Geschichte, die Calugareanu erzählt, in einer Mischung aus Interviews und Spielszenen. Sie ist damals selbst dabei gewesen, sie wuchs in den Achtzigern auf.

Rumänien unter dem Diktator Nicolae Ceaușescu muss in mancher Hinsicht eine Art begehbare Realsatire gewesen sein. Man ahnt das, wenn man vor ein paar Jahren den wunderbaren Episodenfilm "Tales from the Golden Age" gesehen hat, und Calugareanu hat an dem Grusel-Regime jetzt noch ein paar Seiten entdeckt, die damals unbeleuchtet blieben. Beispielsweise wie man dort Filme synchronisierte: Sehr kostensparend. Eine Dame namens Irina Nistor war das wandelnde Eine-Frau-Synchronstudio. Sie übersetzte und sprach alle Rollen, und die meisten von Calugareanus Gesprächspartnern versichern, ihnen sei an Filmen, die nicht von ihr ins Rumänische übersetzt wurden, immer etwas faul vorgekommen. Nistor ist Calegareanus wichtigste Zeitzeugin, denn sie bekam alles mit. Sie arbeitete beim einzigen Fernsehsender, erlebte also die Zensur, die da so seltene Blüten trieb - es war unter anderem verboten, zu viel Essen zu zeigen. Als ein Herr namens Zamfir dann begann, VHS-Kassetten im großen Stil herzustellen, engagierte er als Übersetzerin - Irina Nistor. Es kommt einem in diesem Film manchmal so vor, als sei Diktator Ceaușescu wirklich der Einzige gewesen, der sich an der Piraterie nicht beteiligt hat.

Heute muss niemand mehr VHS-Kassetten schmuggeln

Was Zamfir dann unters Volk brachte, waren genau jene Filme, die keine Zensurbehörde im Ostblock freigab: "Rambo" natürlich, und überhaupt alles mit Chuck Norris, der genauso gern wie Stallone in seinen Filmen Jagd auf Kommunisten machte - in der Vietnam-Schlägerei "Missing in Action" beispielsweise. So wurde Chuck Norris, der in Westeuropa als ernsthafter Evolutions-Verleugner eigentlich nur zur Witzfigur taugt, in Rumänien ein richtig großer Star. Sie liebten, erzählen die Leute, die Calugareanu von früher erzählen, wie diese Filme Verrat waren an der Ceaușescu-Propaganda. Gut, sie waren eine andere Art von Propaganda - aber vielleicht ist ja wirklich etwas dran an der Idee, dass diese Wohnzimmer-Subversion eine Sehnsucht nach Freiheit in die Herzen und die Hirne pflanzte, die Ceaușescu später den Kopf kostete.

Filme, findet Calugareanu, haben die Macht, eine Gesellschaft zu transformieren. Das ist wohl richtig - aber wenn es so ist, dann im Guten wie im Schlechten. Dass es Haudruff-Filme waren, die Hochkonjunktur hatten in Rumänien, und man nun meinen könnte, dass vielleicht nicht nur die Subversion, das Liberale, der Überfluss dieser Filme die Menschen beeinflusst haben, sondern auch ihre Glorifizierung von Gewalt - das hat die Regisseurin so gar nicht beschäftigt. Sie fragt keinen ihrer Interviewpartner danach. Das ist ein bisschen schade. Aber die Zensurbehörden von heute sollten sich den Film mal ansehen, eine Bilder-Revolution weiter, in der man die Filme nicht einmal mehr über Grenzen schmuggeln muss sondern übers Netz versenden kann: Wer Menschen manipulieren will, sollte sich ganz genau überlegen, was er da macht. Denn die Menschen sind so kompliziert, dass man nie sicher sein kann, was dabei herauskommt.

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Chuck Norris vs. Communism , GB/D/Rumänien 2015 - Regie und Buch: Ilinca Calugareanu. Kamera: Jose Ruiz. Verleih: Rise and Shine Cinema, 80 Minuten.

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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