Dokumentation:Die Luft der Vergangenheit

Lesezeit: 2 min

Der Film "Zwischen Himmel und Eis" porträtiert die Reisen des Klimaforscher Claude Lorius in die Antarktis.

Von Martina Knoben

Ein eisgekühlter Whiskey verhilft zum Heureka-Moment der modernen Klimaforschung. Nach einer Tiefbohrung im polaren Eis betrachtet der Glaziologe Claude Lorius den Tausende Jahre alten Eisbrocken, den er zur Feier des Tages in sein Getränk gegeben hat. Der Wärmeschock lässt viele kleine Luftbläschen aufperlen - da hat Lorius die Erkenntnis, dass im Eis die Luft der Vergangenheit eingeschlossenen ist, dass es wie ein Archiv das Klima der vergangenen Erdjahrtausende konserviert.

Die Anekdote ist viel zu schön, um nicht wahr zu sein - und sie passt perfekt in diesen Film, in dem die Wissenschaft als großes Abenteuer erscheint, intellektuell, vor allem aber auch körperlich und mental. Luc Jacquet, dessen rührende "Reise der Pinguine" weltweit über 35 Millionen Zuschauer ins Kino lockte, und der dafür 2006 mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, hat auch in seinem neuen Film eine Heldengeschichte inszeniert. "Zwischen Himmel und Eis" erzählt die Lebens- und Forschungsgeschichte von Claude Lorius, der - mittlerweile 82-jährig - als weiser Seher in Szene gesetzt wird; Max Moor leiht ihm in der deutschen Synkronfassung seine vibrierende Stimme: "Die Wissenschaft hat mir die Fähigkeit gegeben, in die Zukunft zu schauen, dröhnt es bedeutungsschwanger aus dem Off. "Ich werde Ihnen erzählen, was ich gesehen habe."

Das Leben dieses Mannes ist eine Liebesgeschichte zwischen ihm und dem ewigen Eis

"Zwischen Himmel und Eis" kommt pünktlich zum Klimagipfel in Paris in die Kinos, und natürlich will und muss der Film auch Mahnung sein. Jacquet greift dafür tief in die filmische Trickkiste, wenn er etwa einen Gletscher im Zeitraffer schmelzen und darüber einen düsteren Soundtrack wabern lässt.

Die hässlichen Seiten des Klimawandels bleiben allerdings die Ausnahme. Jacquet schwelgt in prächtigen Bildern der bedrohten Natur - wie so viele Naturfilme unserer Zeit, die fast immer beides sein wollen: Augenschmaus und Menetekel. Außerdem kann Jacquet auf üppiges Archivmaterial von Lorius' zahlreichen Polarexpeditionen zurückgreifen, das in seiner körnigen Farbigkeit die Stimmung älterer Abenteuerfilme hervorruft .

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Lorius' Lebensgeschichte ist eben auch vor allem eine Liebesgeschichte mit dem ewigen Eis. Seit er sich 23-jährig auf eine Kleinanzeige bewarb und bei einem Forschungsprojekt in der Antarktis landete, kommt er vom Polarkreis nicht mehr los; es ist eine Erfahrung, die er mit dem Regisseur teilt. Jacquets fast naive Begeisterung für diese Region ist denn auch das Schönste an diesem Film. Die Ästhetik dagegen - die Streicher im Soundtrack, die Tricks und Moors pathosvibrierender Monolog - zielt so auf Überwältigung, dass sie das Ohnmachtsgefühl angesichts des Klimawandels eher noch verstärkt.

La Glace et le Ciel , Frankreich 2015 - Regie: Luc Jacquet. Kamera: Stéphane Martin. Schnitt: Stéphane Mazalaigue. Wildbunch, 89 Minuten.

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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