Documenta 14:Kunst der Worte und Monumente

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Streit ist entstanden im Umfeld der Kasseler Kunstschau: Charlotte Knobloch nennt die Documenta "geschichtsblind" und AfD-Politiker drohen wegen eines möglichen Ankaufs Protestaktionen bei Flüchtlingsvergehen an.

Von Catrin Lorch

Selten hat eine Ausgabe der Documenta so polarisiert wie die diesjährige 14. Ausgabe der Weltkunstschau. Während die Besucherzahlen sich einem neuen Rekord nähern, wurde sie von der Kunstkritik überwiegend verrissen, manche üben sich bereits in Schuldzuweisungen oder befürchten, es sei die letzte Ausgabe der Ausstellung gewesen. Nun gab es Proteste unmittelbar gegen zwei Werke: Die für den 24. bis 26. August geplante Performance "Auschwitz on the Beach" der Künstler Franco "Bifo" Berardi, Fabio Stefano Berardi und Dim Sampaio, die das Flüchtlingselend am Mittelmeer thematisiert, wurde von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern kritisiert. Zwar sei es wichtig, auf das Schicksal und die Not geflüchteter Menschen hinzuweisen, aber "völlig inakzeptabel und unerträglich, dieses berechtigte Interesse mittels einer völlig verantwortungslosen Relativierung des Holocaust vorzubringen". Knobloch fordert, die Aufführungen abzusagen.

Denn "geschichtsblind und obszön" sei nicht nur der Titel, sondern auch die Ankündigung, in der es heißt: "Auf ihren eigenen Territorien errichten die Europäer Konzentrationslager und bezahlen ihre Gauleiter in der Türkei, Libyen und Ägypten dafür, die Drecksarbeit entlang der Küsten des Mittelmeeres zu erledigen, wo Salzwasser mittlerweile das Zyklon B ersetzt hat." Die Documenta-Leitung zeigte Verständnis und wird, wie sie der SZ bestätigte, Titel und Programm ändern.

Anders ist es im zweiten Fall, dem Streit um den Ankauf einer Skulptur von Olu Oguibe, einem nigerianischen Künstler. Die Stadt Kassel möchte seinen Obelisken auf dem dortigen Königsplatz ankaufen, in dessen Sockel das Bibelzitat: "Ich war ein Fremdling, und ihr habt mich beherbergt" in den Sprachen Deutsch, Englisch, Griechisch und Arabisch eingraviert ist. Der AfD-Stadtverordnete Thomas Materna hat den Obelisken laut Presse-Meldungen als "ideologisch polarisierende und entstellte Kunst" diffamiert und angedroht, wenn die Stadt das Kunstwerk dauerhaft erhalte, werde die AfD dort nach jedem "von Flüchtlingen begangenen Anschlag" zu Demonstrationen aufrufen. Adam Szymczyk, der künstlerische Documenta-Leiter, will diese Drohung ignorieren. "Ich sehe nicht, wie dieses Zitat aus dem Neuen Testament als strittig oder kontrovers gelesen werden sollte. Es ist schlicht menschlich." Doch scheint es, als sei die Documenta 14, die bewusst als politische und aktivistische Ausstellung geplant wurde, von den Ereignissen dieses Sommers fast überrollt worden. Die Kasseler Posse um den Obelisken wirkt vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen um Denkmäler im amerikanischen Süden, wo eine extreme Rechte gerade gewalttätige Auseinandersetzungen provoziert, nicht provinziell, sondern unerwartet gefährlich.

© SZ vom 22.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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