Digital:Gassigehen mit dem Roboterhund

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Weil traumhafte Renditen locken, investieren viele Staaten Milliarden in Investmentfonds. Diese steuern die digitale Entwicklung mehr als den meisten bewusst ist. Den Preis dafür zahlen später alle.

Von Evgeny Morozov

Es gibt kein Verständnis für die Zukunft der Technologie, ohne die Zukunft ihrer Geldgeber zu verstehen. Diese haben sich jedoch in den letzten drei Jahrzehnten dramatisch verändert. Zuerst war es das Militär. Dann die Risikokapitalgeber. Und nun beginnt ein weiteres Kapitel: Riesige Kapitalanlagen, mit Milliarden ausgestattet und oft regierungsnah. Sie sind die neuen Herrscher der Technologiebranche.

Unangefochtener Marktführer in diesem Bereich ist der japanische Konzern SoftBank, zu dessen Beteiligungen Uber, WeWork, Alibaba und Nvidia zählen. Seine Firmen stellen nicht nur faszinierende Roboterhunde her (Boston Dynamics) sondern bieten auch einen Gassi-geh-Service an (Wag). Das Modell von SoftBank ist dabei einfach: Man baut stabile, profitable Unternehmen wie etwa Mobilfunkbetreiber auf. Dann nützt man diese als Sicherheit, um mehr Geld zu leihen - eine Investorenpräsentation aus dem letzten Jahr beziffert die "zinstragenden Schulden" von SoftBank auf 125 Milliarden Dollar - und kauft weitere vielversprechende Tech-Unternehmen auf.

Angesichts historisch niedriger Zinsen hat SoftBank die Finanzkrise zu seinem Vorteil genutzt. Der Konzern hat Apple, den Chiphersteller Qualcomm und verschiedene Staatsfonds dazu gebracht, in seine Flaggschiff-Fonds Vision Fund zu investieren, der sich momentan auf 98 Milliarden Dollar beläuft. Saudi-Arabien hat 45 Milliarden Dollar beigetragen. Abu Dhabi weitere 15. Bahrain erwägt ebenfalls den Beitritt.

Der Gründer und CEO von SoftBank, Masayoshi Son, sagte Nikkei im Oktober, dass alle zwei bis drei Jahre neue Vision Funds gestartet werden sollen. SoftBank will in den nächsten zehn Jahren in 1000 Unternehmen in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Robotik in Höhe von 100 Billionen Yen (880 Milliarden Dollar) investieren. Wer dieses Geld zur Verfügung stellt? Nun, Saudi-Arabien will den Börsengang des Ölriesen Aramco nutzen, um seinen Staatsfonds zu stärken. Das wären schon mal zwei Billionen.

Andere Staatsfonds werden ebenfalls eifrig beitreten. Allerdings gibt es noch immer viele Missverständnisse darüber, was sie eigentlich tun. Der größte Staatsfonds, der von Norwegen, verfügt über relativ gute Steuerungsmechanismen und investiert vorsichtig. Er stößt oft problematische Branchen ab und bevorzugt börsennotierte Unternehmen über Startups. Nur Norwegens eigenes Geld wird investiert.

Doch nicht alle Staatsfonds operieren so. Bei manchen handelt es sich um stark fremdfinanziert Hedgefonds, die Staat gemanagt werden. Wie SoftBank borgen sie sich billiges Geld, oft, um ihre bestehenden Schulden zu refinanzieren und die verbleibenden Gelder in Bereiche wie Technologie zu leiten. Zum Beispiel nutzen die Fonds von Malaysia, Bahrain und Abu Dhabi - die jüngsten Investoren in Start-ups - alle Schulden zur Refinanzierung. Saudi-Arabien gab an, es werde Kredite aufnehmen, um seinen Fonds zu erweitern. SoftBank und seine Partner nutzen daher die Verschuldung, um die Vorreiter der digitalen Transformation der Weltwirtschaft zu werden und deren Schlüsselparameter zu steuern: Infrastrukturen, Daten und künstliche Intelligenz.

Wo fließt das Geld hin? In die Yachten von Tech-Managern und in die Kassen von Regierungen

Das hat oft seltsame Folgen. Zum Beispiel im Fall von Airbnb, zu dessen Investoren CIC und Temasek zählen (Staatsfonds von China und Singapur). Airbnb wird oft beschuldigt, den Pool langfristiger Mietwohnungen in beliebten Touristenzielen wie Amsterdam oder Barcelona zu verkleinern. Das führt dazu, dass dort die Mieten steigen. Doch wo geht das Geld hin? Genau, es finanziert die schicken Yachten von Führungskräften bei Investment- und Tech-Firmen. Aber durch Staatsfonds füllt es auch die Kassen von Regierungen, die es benützen, um ihre Sozial- oder Militärbudgets zu finanzieren.

Einige Länder waren versucht, diesem Trend zu folgen und einen staatlichen Hedgefonds unter einem schöneren, euphemistischen Label zu gründen. Das kann man sich etwa als überschuldete und besonders anfällige Vision Norwegens vorstellen. Die langfristigen Auswirkungen dieses Modells sind jedoch nicht klar. Es könnte Regierungen dazu verleiten, jegliche aktive Technologie- und Industriepolitik aufzugeben und SoftBank alles weitere zu überlassen. Einige Unternehmen, die von den Anlagen des Fonds profitieren, könnten sich zufällig in demselben Land befinden wie der Fonds, aber dies wäre ein Zufall: Was zählt, sind Renditen, nicht die geografische Lage.

Wieder das Beispiel Norwegen: Es hat vom jüngsten Boom bei Technologieaktien profitiert, denn sein Fonds ist im Silicon Valley ein wichtiger Investor. Dies half den Sozialausgaben in Norwegen, da die Einnahmen aus dem Fonds Haushaltslücken schließen. Da große Technologieunternehmen sich jedoch global ausbreiten - manchmal durch Norwegens Finanzierung - wird auch Norwegen stark abhängig von ihren Dienstleistungen. Denn es gibt sehr wenig heimische Technik, um die Bedürfnisse in Cloud Computing oder künstlicher Intelligenz zu befriedigen.

Die Bedeutung dieser Abhängigkeit wird deutlich, wenn man bedenkt, dass einige Länder niemals eine proaktive nationale Technologiepolitik aufgeben werden. Stattdessen werden sie ihre eigenen globalen Tech-Giganten weiter pflegen. China will 150 Milliarden Dollar für die Entwicklung von KI bereitstellen und will die Kontrolle über seine Chips, Netzwerke und Daten sicherstellen. Dieses Geld gibt China nicht für seine Technologieunternehmen aus, damit diese von Bahrain oder Abu Dhabi gekauft werden.

Einen ähnlichen Prozess kann man gerade in den USA verfolgen. Nachdem die USA schon einen umstrittenen (und vorerst aufgegebenen) Plan zur Verstaatlichung des 5G-Netzes veröffentlicht haben, hat Präsident Trump mit Hinweis auf die nationale Sicherheit jetzt ein Veto gegen den größten Technologie-Deal der Geschichte eingelegt: die Fusion des in San Diego ansässigen Qualcomm mit Singapurs Broadcom, für einige ein Stellvertreter Chinas. Angesichts von Trumps Rhetorik war aber auch kaum zu erwarten gewesen, dass Washington ein Auge zudrücken würde, während Staatsfonds amerikanische Technologieunternehmen zu akquirieren versuchen.

Die aggressive globale Expansion dieser Fonds ist kein Mittel gegen den viel geschmähten Wirtschaftsnationalismus. Wenn einige von ihnen Milliarden in die Technologieunternehmen anderer Länder investieren, werden sie selbstverständlich die Beseitigung von Investitionshindernissen fordern. Doch nur weil sie das Banner von Globalisierung und freien Märkte tragen, sind sie noch keine Gegner des Wirtschaftsnationalismus - sie sind vielmehr dessen gewieftesten Praktizierenden.

Die Europäer sind hier die wahren Narren. Durch China und Amerika, die ihre eigene Tech-Industrie pflegen, verlor Europa seine Kronjuwelen. Große Robotikfirmen in Deutschland und Italien wurden nach China verkauft. In Großbritannien erwarb SoftBank den Chiphersteller ARM und schüttete Geld in Unprobable, ein prominentes Virtual-Reality-Startup. DeepMind, ein Pionier in KI, wurde an Alphabet verkauft. Nun könnte ein Unternehmen, das mit SoftBank verbunden ist, in Großbritanniens kommender 5G-Auktion mitbieten.

Da Europa weder die protektionistischen Impulse Chinas oder Amerikas besitzt, noch die finanzielle Gerissenheit der Golfstaaten, wird es teuer bezahlen. Es mag Marktführer beim Verkauf von Autos und Glas sein - doch Smart Cars und Smart Glasses sind eine ganz andere Sache.

Aus dem Englischen von Tatjana Michel.

© SZ vom 23.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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