Design:Traum aus Baum

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Kaum jemand kannte bisher Peder Moos, den dänischen Schöpfer so eigenwilliger wie eleganter Möbel. Jetzt kommt er endlich zu Ehren.

Von Alexander Hosch

Der Auktionsmarkt entdeckt im Norden immer neue Midcentury-Helden. Kürzlich setzte ein Tisch des dänischen Designers Peder Moos den neuen Weltrekordpreis für ein Designmöbel aus Skandinavien. Über 800 000 Euro wurden am 4. Oktober beim Nordic Sale von Phillips in London dafür bezahlt.

Wie kann der Esstisch eines Außenseiters die Möbel der gesuchten nordischen Legenden schlagen? Juhl, Hans Wegner, Alvar Aalto, Verner Panton, die kennt jeder. Aber Peder Moos? Keine Monografie ist zu finden, keine Würdigungen in Interiormagazinen. Dann brachte plötzlich eine Schau des Auktionshauses Piasa in Paris im Herbst 2014 Möbel aus Moos' privater Sammlung in den Blick der Öffentlichkeit - und die Scouts der Sammler setzten sich in Bewegung.

Der nun so erfolgreiche Esstisch wurde einst extra für die Villa Aubertin, das neue Haus eines Holzunternehmers auf der Insel Lolland, gefertigt, erzählt am Telefon Alexander Payne, Chef der Design-Abteilung von Phillips. Moos gab seinem Einzelstück dünne, gekurvte Beine, mit Stützen, die an Flügel erinnern. War das extrem gute Ergebnis - viermal über der Taxe - nur ein lucky punch, wie beim Boxen?

Payne meint: nein. "Ich war überhaupt nicht überrascht. Es handelte sich um ein außergewöhnlich großes, gut erhaltenes Unikat; und es waren alle Moos-Fans aus Europa und Amerika bei der Auktion. Der Tisch war 1952 der einzige Fremdauftrag für die Villa Aubertin, die ansonsten ein Totalkunstwerk des Designers und Architekten Finn Juhl ist." Juhl beauftragte Moos häufig, wenn es um Holzmöbel und -einbauten ging. Er hielt ihn für den Besten.

Moos hatte eine Schwäche fürs Verspielte - das machte ihn zum Outsider unter den Modernisten

Peder Moos (1906-1991) lernte Möbelschreiner, ehe er es an die Royal Danish Academy of Fine Arts schaffte, wo er bei Kaare Klint und Einar Utzon-Franck studierte. Der Sohn eines jütländischen Farmers wurde einer der gefragtesten Kunsthandwerker seines Landes. Er missbilligte den Gebrauch von Nägeln oder Schrauben. Seine Stühle oder Tische wurden nur mit Holz verdübelt, verkeilt und verzapft. Moos schuf intuitiv. Auf Skizzen verzichtete er ganz. Immer wieder bearbeitete er as Holz mit feinstem Sandpapier, für die Zwischenstufen nutzte er Stahlwolle. Er hatte weder Lager noch Musterkatalog und soll sich nicht auf Preiszusagen eingelassen haben, ehe er fertig war. Lieber behielt er sein Möbelbaby, als dass er den Arbeitsaufwand an die Budgetgrenzen eines Kunden angepasst hätte.

(Foto: Philipps)

Was Peder Moos von anderen unterschied war, dass er alle Möbel aus Kiefer, Eiche, Ahorn und Tropenhölzern selbst und nur auf Order herstellte. Lediglich ein Trolley und ein Tischchen kamen bei Fritz Hansen in Produktion. Der Mann, den man vielleicht besser ébéniste oder cabinet maker nennen sollte als Designer, suchte dabei weder die größtmögliche organische Eleganz wie sein Zeitgenosse, der Auflagenweltmeister Arne Jacobsen, noch die kühle Noblesse der Entwürfe Kjærholms. Er genehmigte sich vielmehr zweckfreie Schnörkel und hatte eine Schwäche für dekorativ verschlungene "Knoten" sowie aufwendige Verbindungen. Sie erinnern an Einlegearbeiten oder Charakteristika des Art Déco.

Die Bredgade ist eine aus dem Rokoko stammende Kopenhagener Bürgermeile, in der sich Moos 1935 nach Jahren in Genf und Paris niederließ. Hier war und ist viel los: die Möbelmanufaktur Rud Rasmussen, das Dänische Design Museum und viele der besten Galerien der Stadt sitzen hier, sie ist gesäumt von Herrenhäusern, und nebenan steht Schloss Amalienborg.

Nur ein paar Türen von Moos' früherem Atelier versteigert Bruun Rasmussen vier Mal im Jahr Designstücke, die zu 95 Prozent aus Skandinavien stammen. Hat sich der Wertzuwachs für Peder Moos abgezeichnet? Wir fragen Peter Kjelgaard Jensen vom Designdepartment dort, der wohl mehr über Moos weiß als jeder andere. Er findet das neue Preislevel "geradezu verrückt hoch". Es sei aber schon immer schwierig gewesen, Möbel von Moos einzuschätzen. Denn dieser fertigte zwar extrem feinsinnig, ließ sich aber auch gerne zum Bizarren und Verkünstelten hinreißen.

Moos galt zu Lebzeiten als Sonderling. Ein früher Hippie in langen Gewändern, der ein Klappbett so in das Dach der Familienwohnung über der Werkstatt eingebaut hatte, dass der Kopf im Freien lag. "Als Kunde wusstest du nie, welches Stück er für dich macht, wann es fertig wird, und was es kostet", erzählt Kjelgaard. In den Sechzigerjahren zog sich der Naturmensch aufs Land zurück. Den Esstisch hatte Kjelgaard übrigens auch schon auf dem Radar, als dieser vor achtzehn Monaten in einer Onlineauktion angeboten wurde. "Die neuen Besitzer der Villa Aubertin, die lange leer stand, hatten ihn quasi umsonst zum Haus dazu bekommen."

Für Kjelgaard gibt es auf dem Markt für Nordic Design momentan folgende Trends: Erstens werde stärker als früher der Zustand eines Möbels beachtet - "mittelmäßige und schwächere Stücke bleiben liegen". Zweitens seien die organischen Möbel der dänischen Designer der Fünfziger- und Sechzigerjahre weltweit die teuersten unter allen Skandinaviern: Weil die noch in Manufakturen produzieren ließen, während in Schweden und Finnland schon industriell gefertigt wurde.

Und drittens gebe es - speziell bei den Dänen - "eine Bewegung zurück in die Dreißiger- und Vierzigerjahre": hin zu raren Möbeln der Generation vor den augenblicklichen Marktkönigen Juhl, Wegner und Kjærholm. Kjelgaard hebt hier die Brüder Flemming und Mogens Lassen, Palle Suenson und Arne Jacobsen mit seinen ersten, noch nicht massenproduzierten Stücken hervor.

Auch Alexander Payne bestätigt - mit Blick auf die jüngsten Ergebnisse für Moos, Klint, Juhl, Wegner und Kindt-Larsen - die Sonderrolle der dänischen Designer, spricht aber von einer Momentaufnahme. Er nimmt daneben ein neues Interesse für den schwedischen Markt wahr: Die Auktion vom 4. Oktober habe zum ersten Mal zahlreiche Ausnahmeergebnisse für Zwanzigerjahre-Entwerfer wie Carl Hörvik und Carl Malmsten gezeigt, sowie erstaunliche Tarife bis 50 000 Pfund für Einzelmöbel und Gruppen von Axel Einar Hjorth. "Das fasziniert mich noch mehr als das Resultat für Moos."

Ähnlich gespannt blickt Payne demnächst auf finnisches Glas - hier waren zuletzt Preissprünge bei seltenen Arbeiten von Timo Sarpaneeva, Tapio Wirkkala und Kaj Franck zu beobachten.

In Deutschland fällt eher die qualitätvolle Breite des Angebots ins Auge als die hohen Preise. Vor zehn Jahren wurden die Sitzmöbel des Finnen Ilmari Tapiovaara wiederentdeckt, etwa zur gleichen Zeit wie die Lampen und Leuchter seines verspielten Landsmanns Paavo Tynell. In ähnlicher Tradition steht der auf Gotland geborene Hans Agne Jakobsson (1919-2009), der mit perforierten Lampenschirme aus Metallblech glänzt.

Diese tauchten, wie die dekorativen Muschelsessel mit Schaffell des Schweden Philip Arctander aus den Vierzigern, zuletzt immer wieder in den Münchner Designauktionen von Quittenbaum auf. So gibt es hierzulande noch erstaunlich viele Holz- und Metallmöbel, Lampen und Gläser von kaum bekannten nordischen Midcentury-Designern zu entdecken. Und oft kann man sie für ein paar Hundert Euro mit nach Hause nehmen.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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