Demokratie:Despoten und Bananenrepublikaner

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Demokratie geht anders: Trump hat früh angekündigt, er werde eine Niederlage anzweifeln. Nun droht er Hillary Clinton mit Gefängnis.

Von Sonja Zekri

Zu den meistunterschätzten Figuren für das Gelingen einer demokratischen Wahl gehört der Verlierer. Erst wenn der Unterlegene seine Niederlage eingesteht und die Herrschaft seines Kontrahenten anerkennt, ist nicht nur der neue Machthaber, sondern der demokratische Prozess überhaupt voll legitimiert. Eine sehr starke Motivation für diesen Schritt kann die Aussicht des Verlierers sein, dass er diese Niederlage überlebt - politisch, juristisch, physisch, dass er nicht erschossen wird, nicht ins Gefängnis geworfen, dass er im besten Fall bei den nächsten Wahlen wieder antreten kann, wenn er es denn will.

In glücklichen politischen Systemen, also: in vielen Ländern des Westens wird die Einhaltung dieser fundamentalen Regeln einfach mal vorausgesetzt. Die Sonne geht auf, die Sonne geht unter, Wahlen werden gewonnen, Wahlen werden verloren. Niemand kommt zu Schaden.

Dank Donald Trump haben wir nun Anlass, das vegetative Nervensystem der Demokratie neu zu entdecken, neu zu bewundern und möglicherweise auch neu zu verteidigen. Vor wenigen Wochen bereits erging sich der Präsidentschaftskandidat der Republikaner in finstersten und für einen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten sehr außergewöhnlichen Andeutungen: "Ich fürchte, die Wahl wird manipuliert werden. Ich muss ehrlich sein", sagte er in Columbus, Ohio, nachdem er zuvor schon hier und da Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Legitimität des demokratischen Prozesses gestreut hatte.

Auch Ägypten hat eine Schicksalswahl zwischen zwei mächtigen Anwärtern erlebt

In der zweiten Fernsehdebatte am Sonntag ergänzte er dies um die entscheidende Drohung. Er habe dies wirklich nicht sagen wollen, so Trump überwältigend scheinheilig, aber wenn er gewinne, werde er den Generalstaatsanwalt anweisen, einen Sonderermittler gegen seine demokratische Kontrahentin Hillary Clinton einzusetzen. Woraufhin Clinton erwiderte: Wie gut, dass Trump nicht für die amerikanische Justiz verantwortlich sei. Worauf wiederum Trump herausplatzte: "Weil Sie sonst im Gefängnis wären."

Amerikanische Medien verliehen ihm dafür den Titel eines Bananenrepublikaners, und in der Tat gehören diese Einschüchterungs- oder Erpressungsversuche eher ins Arsenal einschlägiger Despoten. Ein politisches Bonmot lautet ja, dass in demokratischen Wahlen der Weg feststeht, aber das Ergebnis nicht vorhersagbar ist, und dass sich Autokratien daran erkennen lassen, dass es sich dort genau umgekehrt verhält. Aber das gilt natürlich nur bei klaren Machtverhältnissen. Wenn in eher autokratischen Ländern eine sehr große Partei eine kleine Opposition besiegt und beseitigt, geht es oft einher mit Menschenrechtsverletzungen, muss aber die Stabilität nicht weiter beeinflussen. Wenn zwei etwa gleich starke Kandidaten gegeneinander antreten, einer um Haaresbreite verliert, aber der andere die Wahl nicht anerkennt, sondern womöglich schon den Sieg ausgerufen hat und nun seine vermeintlich betrogenen, um ihren Triumph gebrachten Anhänger mobilisiert, ist dies das Rezept für Proteste, Unruhen, schlimmstenfalls Bürgerkrieg.

Ägypten hat in den vergangenen zehn Jahren beides erlebt: Die Unterdrückung einer meist eher winzigen Opposition unter Militärherrschern wie Hosni Mubarak (vor dem Arabischen Frühling) oder Abdel Fatah al-Sisi (nach dem Arabischen Frühling), sowie eine Schicksalswahl zwischen zwei mächtigen Anwärtern. Im Sommer 2012 standen sich in einer Stichwahl der Muslimbruder Mohammed Mursi und der Luftwaffenoffizier und Ex-Premier unter Mubarak Ahmed Schafik als Präsidentschaftskandidaten gegenüber. Die Prognosen waren knapp, beide erklärten sich zu Siegern, während die Auszählung Wochen dauerte. Irgendwann riefen die Muslimbrüder ihre Anhänger zu Tausenden auf den Tahrir-Platz und drohten hinter verschlossenen Türen mit einer Eskalation. Mit jedem Tag, den die Wahlkommission die Bekanntgabe verschob, rückte das Land dem Abgrund näher, so erschien es. Als der Islamist Mursi schließlich zum Sieger erklärt wurde, hatten Millionen Ägypter zwar nicht unbedingt den Eindruck, dass alles mit rechten Dingen zugegangen war, aber dass ein Gewaltexzess gerade noch vermieden wurde.

Nun ist Amerika trotz Trump natürlich keine Bananenrepublik

In Kenia brachen nach Wahlen zwischen Amtsinhaber Mwai Kibaki und Herausforderer Raila Odinga im Dezember 2007 Unruhen aus, 1500 Menschen starben. Schließlich teilten sich beide Seiten die Macht. In den jüngsten Wahlen in Nigeria besiegte der Herausforderer Muhammadu Buhari Amtsinhaber Goodluck Jonathan. Es war Buharis vierter Versuch, jedes Mal war er nach einer Niederlage vor Gericht gezogen, einmal hatte es Hunderte Tote gegeben, auch diesmal hatte er im Fall einer Niederlage eine Parallelregierung" angekündigt. Diesmal räumte Jonathan seine Niederlage ein und ersparte seinem Land um Haaresbreite neue Unruhen.

Was aber, wenn die Wahlen wirklich gefälscht sind? Wenn weitere Jahre der Unterdrückung drohen? Gute Frage. Wenn mancher demokratische Wahlen inzwischen für gewaltbereite, korrupte oder einfach nur spielend manipulierbare Gesellschaften ganz generell nicht mehr für das heilsbringendste Verfahren hält, dann liegt es an Widersprüchen wie diesen.

Nun ist Amerika trotz Trump natürlich keine Bananenrepublik. Aber wenn die Populisten dieser Welt auf ihrem Siegeszug in den vergangenen Jahren eines strahlend vor Augen geführt haben, dann ist es die Verwundbarkeit der Demokratie. Dabei stehen sie ja selbst vor einem Dilemma. Die Populisten nehmen an den Verfahren eines politischen Systems teil, das sie verhöhnen, bekämpfen und nach ihrem Wahlsieg mindestens sehr, sehr stark verändern. So zersetzen sie gleichzeitig das Vertrauen in einen Prozess, der ihnen die Macht bringen soll. Die AfD hat ihre Anhänger schon vor Monaten aufgerufen, die Auszählung der Landtagswahlen zu überwachen. Der Kreisverband Ludwigsburg in Baden-Württemberg warnte besonders davor, dass gültige Stimmen "in ungültige verwandelt werden". Es muss nicht gleich eine ausgereifte Bananenrepublik sein - jedes Scheibchen Vertrauensverlust ist schlimm genug.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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