Das ist schön:Schöner, größer, roter

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In zwei Münchner Ausstellungen geht es um das Thema Mode

Von Karl Forster

Dass zwei renommierte, wenn auch sehr unterschiedliche Stätten der Kunst sich derzeit mit großen Ausstellungen dem Thema Mode widmen, ist das vielleicht sogar mehr als nur ein Zufall. Möglicherweise weht sogar der Zeitgeist durch die edle Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung und die gediegenen Räume des Münchner Stadtmuseums. Hier der gefeierte Wahnsinnige und Getriebene des Modebetriebs Jean Paul Gaultier, dort die Frau zu Zeiten des größten Wahnsinnigen der Geschichte. Ist also, so die sich aufdrängende Frage, Mode, in welcher Form und aus welcher Zeit auch immer, heute so wichtig, dass sie die Kunsttempel für sich beanspruchen darf?

Gerade ist im Münchner Literaturhaus eine Ausstellung über einen Mann eröffnet worden, der sich ebenfalls schon einmal ein paar böse Gedanken zur Wichtigkeit der Mode im Leben der Frauen gemacht hat: Erich Kästner. Er schrieb dazu ein für alle Zeiten gültiges Gedicht, die "Sogenannten Klassefrauen".

Darin stehen Reime wie dieser: "Plötzlich färben sich die Klassefrauen, / weil es Mode ist, die Nägel rot! / Wenn es Mode wird, sie abzukauen, / oder mit dem Hammer blau zu hauen, / tun sie's auch und freuen sich halbtot." Selbst wer die Zeilen nur überfliegt, kommt ins Grübeln angesichts der Tausenden rotlackierten Zehen-und Fingernägel, derer man im eben vergangenen Sommer angesichtig wurde.

Kästner selbst war nun ein Mensch, der schöne Frauen mochte und hatte sicherlich nichts gegen rote Nägel, aber er hatte was gegen die Uniformierung von Körper und Geist. Da diente ihm der Hang der Frau (und hätte ihm wohl heute der des Mannes ebenfalls gedient), es modemäßig so zu halten wie der Mann angesichts des Autos vom Nachbarn: Schöner, größer und gegebenenfalls auch roter als die anderen muss es sein! Wenn nun die beiden Modeschauen in der Theatinerstraße und am St.-Jakobs-Platz dazu dienen, solche Eifersüchte als billig und hirnlos zu entlarven, dann wäre das sehr schön. Wenn nicht, dann lese man Kästners böses Ende des Gedichtes nach.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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