Das ist nicht schön:Rund rollt halt besser

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Die neue Bocksbeutelflasche findet nicht überall Gefallen

Von Karl Forster

"Weile an dieser Quelle, ein kleines Frühstück ist zur Stelle, / Rotwein mit Pimpernelle und Bekassinen zart und fein. / Sag, wie viel Flaschen sollen aus unser'm Korb, dem übervollen, / leer in das Gras hinrollen, durch Kräuterdüfte klar und rein. . ." So sang einst der schwedische Trinker und Dichter Carl Michael Bellman, und so sangen und singen es bis heute seine Apologeten von Hannes Wader bis Fredl Fesl. Und weil da von zwar leeren, aber rollenden Flaschen die Rede ist, gewinnt dieser wunderschöne Text, in dem auch vom "lieblichen Plaisier" mit einem Nymphlein die Rede ist, durchaus an aktueller Brisanz.

Weil nämlich justament in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass der Bocksbeutel, also jene Flasche, in der die Franken gerne ihren Wein abfüllen, einen der drei Preise in Gold gewonnen hat, den das Deutsche Verpackungsinstitut in Berlin alljährlich vergibt. Der Bocksbeutel wurde dafür geehrt, dass er, nach einem Entwurf des Designers Peter Schmidt (der eines der größten Büros der Branche betreibt und einen lustigen Elefanten für seine Corporate Identity erfunden hat) neuerdings etwas weniger bocksbeutelig ausschaut.

Die tradierte Form dieser Weinflasche - der Name Bocksbeutel könnte, so die Erklärung, auch an den Hodensack eines Ziegenbocks erinnern - wird schon seit 1728 dafür genutzt, dem Inhalt eine gewichtigere Bedeutung zu geben, als es in einer herkömmlichen Flasche vielleicht der Fall wäre. Das Büro Schmidt jedenfalls habe, so das Lob der Jury, "eine moderne Interpretation einer bekannten Form unter Berücksichtigung moderner Glastechnologien und nachhaltiger Glasreduktion" gefunden. Was auch immer das heißen mag, überzeugt hat das moderne Bocksbeutel-Design die Juroren vor allem dadurch, dass die einst kugelige (aber nicht rollende) Flasche nun "kantiger und weniger bauchig" geraten sei.

Wollte man den Erfolg, den der in Hamburg, Frankfurt am Main, Düsseldorf, München und Tokio agierende Designer errungen hat, auch anderen kulturell dem Bocksbeutel oder dem Wein im Allgemeinen Ebenbürtigen wünschen, so wären markante Überarbeitungen nötig, wie man sie im Theater und an der Oper ja schon länger pflegt. Ob jetzt "Faust" oder "Don Giovanni", ob Wagners Ring oder Schillers "Räuber", sie alle haben in den letzten Dekaden eine ähnliche Metamorphose über sich ergehen lassen müssen wie jetzt der Bocksbeutel. Sehr oft allerdings ohne eine Ehrung, wie sie diesem widerfahren ist.

Carl Michael Bellman jedenfalls wäre von dieser nicht rollenden, dennoch nicht mehr ganz bocksbeuteloriginären Flaschenform sehr wahrscheinlich wenig begeistert gewesen. Denn eine Flasche, die nicht rollt, lohnt nicht, geleert zu werden. Und das, so hätte Bellman wohl gesagt, "ist nicht schön".

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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