Biografien:21 Jahre Regenbogenland

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Sonwabiso Ngcowa und Melanie Verwoerd: Südafrika mit 21. Die erste freie Generation erzählt. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2017. 208 Seiten, 19,90 Euro. (Foto: Verlag)

Südafrikas heutige Jugend kämpft auch nach Ende der Apartheid immer noch um ihre Existenz.

Von Rita Schäfer

Nkululeko bedeutet Freiheit. So erklärt der junge Mann in der Hafenstadt Port Elizabeth seinen Namen. Für seine Mutter verkörperte das kleine Bündel Leben die neue Freiheit im Land. Das war 1994 - Nkululekos Geburtsjahr. Erstmals durften alle Staatsbürger Südafrikas wählen. Auch Schwarze, wie seine Mutter. Über 40 Jahre hatte das Apartheidregime der schwarzen Bevölkerungsmehrheit jegliche Mitsprache verweigert. Rassistische Diskriminierung in allen Lebensbereichen, Hungerlöhne und Armut beschränkten ihren Alltag. Die Männer wurden zur Wanderarbeit gezwungen. Ihnen war es gesetzlich verboten, mit ihren Frauen zusammenzuleben. Unter den Folgen litten insbesondere Kinder und Jugendliche.

Was wurde aus denen, die im ersten Jahr der Freiheit am Kap der guten Hoffnung auf die Welt kamen? Das ist die Schlüsselfrage dieses Buches. Der lebendige Stil sowie die anschaulichen und emotionsreichen Beschreibungen ermöglichen es mühelos, sich in die Lebenswelten der Jugendlichen hineinzuversetzen. Ihre Biografien sind so facettenreich und widersprüchlich wie die heutige südafrikanische Gesellschaft. Junge Menschen unterschiedlicher Hautfarben und Herkunft ergreifen das Wort. Schon diese Tatsache ist beispielhaft für den Wandel.

Zum Beispiel Nkululeko. Er hatte vergleichsweise viel Glück. Zwar verließ sein Vater die Familie und seine junge Mutter gab ihn zu Verwandten; die ermöglichten ihm aber eine gute Ausbildung. Gleichzeitig deutet er an, bisexuell zu sein. Doch die Pfingstkirche, in der er Mitglied ist, lehnt das dogmatisch ab. Ein Widerspruch, der ihn als gläubigen Christen umtreibt.

Viele Schülerinnen werden ungewollt schwanger, so auch die Zwillinge Nosimphiwe und Nosiphe. Wegen des hohen Gruppendrucks brachen sie die Schulbildung ab. Ihre Partner haben sie verlassen. Dennoch sagt Nosiphe: "Dass ich ein Kind habe, ist mein ganzes Glück."

Sonwabiso Ngcowa selbst, der die Geschichten ausgewählt hat, kam durch Schreibkurse für schwarze Jugendliche zur Literatur. Seine Mutter und Oma hatten alles für seine Schulbildung gegeben. Das Jugendliteraturprojekt Fundza machte ihn bekannt. 2014 hat er einen Roman über Homophobie publiziert, "Nanas Liebe" erschien auch auf Deutsch.

Melanie Verwoerd wurde auf ihn aufmerksam. Sie stammt aus einer konservativen weißen Familie, inzwischen fördert sie Programme für junge Schwarze. Alle jungen Leute, die sehr persönlich erzählen, brauchen einen starken Überlebenswillen. Nelson Mandelas Regierungspartei, der Afrikanische Nationalkongress - einst von jungen Leuten gegründet - hat es nicht geschafft, der heutigen Jugend wirtschaftliche Möglichkeiten zu eröffnen. Manche sagen: "Wie kann man uns die frei Geborenen nennen, wenn wir weiterhin unter solch schwierigen Bedingungen leben." So gespalten wie Südafrikas Ökonomie sind auch die Perspektiven der Jugendlichen: Viele müssen täglich um ihre Existenz kämpfen und prangern Missstände an. Gleichzeitig beschreiben sie ihre Träume. Eine intakte Familie gilt als Inbegriff des Glücks. Für andere ist Bildung der Schlüssel zur Entfaltung. In Musik und Literatur suchen sie Ausdrucksformen und Möglichkeiten, die eigene Zukunft zu gestalten. "Südafrika mit 21" bietet berührende und ermutigende Aussichten. (ab 14 Jahre und junge Erwachsene)

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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