Bildungsdebatte:Lockvogel im Bestiarium

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Die vorgesehene Reform des Collège, der französischen Hauptschule, drohte, dem Deutschunterricht die Luft abzuschneiden. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Frankreich lockert die geplante Reform des schulischen Deutschunterrichts. Doch trotz einiger Zugeständnisse bleibt es bei einer Zurückstufung des Deutschen.

Von JOSEPH HANIMANN

Der Protest im vergangenen Frühjahr hat zumindest teilweise geholfen. Die vorgesehene Reform des Collège, der französischen Hauptschule, drohte, dem Deutschunterricht die Luft abzuschneiden, vorab durch die Abschaffung der bilingualen Fremdsprachenklassen. Mit diesem Modell, das im 6. Schuljahr gleichwertig mit dem Englischen eine zweite Fremdsprache anlaufen lässt, konnte der Rückgang der Deutschschüler seit etwa zehn Jahren bei gut 15 Prozent stabilisiert werden. In den Augen der Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem war dieses Modell jedoch vor allem dazu da, über den Umweg der angeblich schwierigen Fremdsprache Deutsch Eliteklassen zu schaffen.

Englisch im 6., eine zweite Fremdsprache im 7. Schuljahr sah ihre Reform vor. Der Protest von Lehrern und Eltern zwang die Ministerin nun aber zum Einlenken. Zweidrittel der Bilingualklassen sollen erhalten bleiben. Die Zahl der Grund- und Hauptschulen mit Deutschunterricht soll überdies erhöht, gut 200 zusätzliche Stellen für Deutschlehrer sollen ausgeschrieben werden. Angekündigt wurden diese Maßnahmen effektvoll am Jahrestag des Elysée-Vertrags. Zusammen mit Olaf Scholz, dem deutsch-französischen Kulturbevollmächtigten, setzte die Ministerin sich in eine Deutschklasse der Grundschule Parmentier im 11. Pariser Arrondissement und lernte mit den Drittklässlern die Namen der wilden Tiere kennen, vom Löwen und Bären bis zur Schlange. Nicht dabei war das Faultier.

Gar nicht faul ist aber die Art, wie da an einem Erfolgsmodell des Fremdsprachenunterrichts herumgebastelt wird. Die Bilingualklassen werden in der egalitären Republik fortan je nach Region sehr unterschiedlich gehandhabt. Bleiben sie in Paris praktisch vollständig erhalten, schwinden sie laut Schätzungen des Vereins zur Förderung des Deutschunterrichts in Frankreich (ADEAF) in den akademischen Bezirken von Grenoble, Poitiers, Rouen um annähernd achtzig Prozent und verschwinden etwa in Caen beinah ganz.

Trotz der Zugeständnisse der Ministerin bedeute die Reform einen Rückschlag, bedauert die ADEAF-Vorsitzende Thérèse Clerc: Durch die Zurückstufung des Deutschen gegenüber dem Englischen gerate die Stundenplanparität von je drei Unterrichtsstunden wöchentlich wieder aus dem Gleichgewicht. Auch die Freude über die neu ausgeschriebenen Lehrerstellen ist nicht ungetrübt, denn schon heute können dreißig Prozent dieser Stellen nicht besetzt werden. Der für Dienstag angekündigte Lehrerstreik wird in dieser Sache allerdings wenig helfen. Verheißungsvoller erscheinen Initiativen wie die ebenfalls am Freitag unterzeichnete Vereinbarung zwischen der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer und der Schulakademie Paris über eine Zusammenarbeit in der Lehrlingsausbildung - jenem für Frankreich und seine Jugendarbeitslosigkeit immer noch schönsten Lockvogel im Bestiarium nachbarlicher Wunschprojektionen.

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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