Bilderbuch:Schief und krumm

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Illustration aus Agnès de Lestrade und Guillaume Plantevin: "Die Geschichte vom Nilpferd". (Foto: Verlag)

Ein Nilpferd singt beim Schrubben im Tümpel, aber leider - da sind sich alle einig - ziemlich schief und krumm. Eine böse kleine Dschungel-Ballade von Agnès de Lestrade und Guillaume Plantevin.

Von Fritz Göttler

Das Nilpferd ist eine rechte Frohnatur in diesem Buch, es schlüpft in seinen rosa Badeanzug, streift sich seine Badekappe über und steigt in den Tümpel, wo es sich dann ausgiebig zu schrubben beginnt. Und kräftig dazu singt.

Eine kleine Studie also zum Zusammenhang von Hygiene und Musik, zu jenem unwiderstehlichen Impuls, die Körperpflege mit musikalischen Improvisationen zu verbinden - der auch im Tierreich nicht unumstritten ist. Das Nilpferd, wie es der Zeichner Guillaume Plantevin zeichnet, ist bei aller Unförmigkeit durchaus graziös in seinen Bewegungen, das Singen allerdings, das es dabei produziert, wird von allen - dem Sänger inklusive - als "schief und krumm" empfunden. Als besonders sensibel erweisen sich drei der anderen Urwaldtiere, Schlange, Gazelle und Biene, und sie versuchen mit ziemlich drastischen Methoden, das Nilpferd zum Schweigen zu bringen.

Agnès de Lestrade erzählt die Eskalation ums planschende und singende Nilpferd als eine böse kleine Ballade, sehr lakonisch und mit kleinen, fast unmerklichen Seitensprüngen ins Gereimte: "Mir platzt gleich das Trommelfell", zischt die Schlange. ,Badamm, badumm', macht das Nilpferd und schrubbt sich heiter mit seinem gelben Lappen weiter."

Es ist ein Lehrstück ganz eigener Art, zu dem sich Text und Bilder hier zusammentun, eines, das die moralische Gradlinigkeit mittendrin aufgibt und die Seiten wechselt. Aus der Geschichte vom Nilpferd wird die Geschichte von einer Schlange, einer Gazelle und einer Biene, die mit brutaler Überrumpelung das Nilpferd als Störfaktor ausschalten. "Geschichte zu Ende?" Mitnichten, denn nun wird aus der Geschichte von Schlange, Gazelle und Biene die Geschichte vom Löwen - dem das mit seinem Opfer verknäulte Dreierteam sehr üppig und appetitlich vorkommt . . . An diesem Punkt entfaltet die Musik dann doch noch eine ganz andere Wirkung, und statt des drohenden Dschungelhorrors gibt es ein sehr schönes, weil pragmatisches Ende.

Agnès de Lestrade, Guillaume Plantevin (Bilder): Die Geschichte vom Nilpferd. Aus dem Französischen von Tobias Scheffel. Beltz & Gelberg, Weinheim Basel 2016. 30 Seiten, 12,95 Euro.

© SZ vom 16.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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