Berufsberatung:Geld kommt nicht aus der Steckdose

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Jugendliche erfahren in Reportagen aus verschiedenen Berufsfeldern, was sie nach Schule und Studium erwartet. Und werden so in die Realität des Wirtschaftslebens eingeführt.

Von Cathrin Kahlweit

Es gibt an deutschen Hochschulen etwa 18 000 Studiengänge, fast die Hälfte endet mit dem Bachelor, die andere Hälfte sind Master-Angebote oder kirchliche Abschlüsse. Exakt 18 044 Möglichkeiten - das ist ganz schön viel Wirrwarr an Chancen und Möglichkeiten, wenn man als junger Mensch wissen soll, was man mal werden will und wie man da am besten hinkommt. Es gibt daher Dutzende Ratgeber für die Karriereplanung, es gibt auch Lexika und Handbücher über Jobs in der Wirtschaft - aber was einem im wirklichen Leben geschieht, wenn man zum Beispiel Auto-Ingenieur wird, oder Hotelfachangestellte, oder Sportschuh-Designer, ob der Job in einem Telekom-Konzern spannend sein kann oder in der Medikamentenforschung - all das erzählt einem jungen Schüler in der Regel niemand. Reinhard Engel, Wiener Journalist mit großer Erfahrung im Wirtschaftsbereich, hat sich angeschaut, was es auf dem deutschsprachigen Markt an alltagstauglichen Lehr- und Erzählbüchern über Firmenalltag und Wirtschaft für Jugendliche gibt, und außer dem vielfach preisgekrönten Kinderbuch "Felix und das liebe Geld" von SZ-Redakteur Nikolaus Piper hat ihn nicht viel beeindruckt. Also hat er selbst eines geschrieben. "So funktioniert Wirtschaft" heißt es, und ist im wesentlichen ein Reportagenband geworden, der in österreichische Firmen schaut (3-D-Druck, Hubschrauber, Stahl), aber auch in die deutsche Produktionsstandorte in Ungarn (Audi in Györ), tschechische Firmen (Nano-Technologie) spanische (Zara) und israelische Firmen (Cyber-Security). Engel hat Azubis ausgefragt und Chefs gegrillt, er hat Interviews mit einem Bauernbuben, einem Assyrologen an der Universität, mit einer Dirndl-Schneiderin und einem Gondel-Produzenten gemacht - kreuz und quer durch das Land, durch Startups und Konzernzentralen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber neugierig und offen für das, was da alles Spannendes passiert. Sein Verlag hat den Band auch als Lehrbuch konzipiert, er ist bunt und grafisch aufwendig gemacht, gut fotografiert, übersichtlich gegliedert. Er habe junge Leser an Orte führen wollen, wo sie sonst nicht hinkommen, sagt Engel. Einen großen Teil seiner Lebenszeit verbringe der Mensch schließlich im Job - und stelle doch oft erst spät, nach der Schule, nach der Ausbildung, nach dem Studium fest, wo es ihn hingetrieben hat, weil ihm die Informationen fehlten. Die Jugendlichen seinen dann enttäuscht, weil sie Arbeitsalltag, Herausforderungen, Spezialisierungen nur noch aus dem Fernsehen kennen, weniger vom Zuschauen bei den Eltern, die mittlerweile entfremdet an fernen Orten unbekannten Tätigkeiten nachgingen. Und seltener als früher auch von Ferienjobs und Betriebsbesichtigungen.

"Geld kommt nicht aus der Steckdose", witzelt Reinhard Engel in Anspielung auf das Bonmot, dass es egal sei, wie Strom gemacht wird. Dann wird er ernst: "Kapital- und Realwirtschaft sind heute völlig entkoppelt", umso mehr müsse man junge Leute an die Realität des Wirtschaftslebens heranführen.

Mit seinen Reportagen zwischen Computern und Zügen, Flugzeugen und Nähmaschinen, Druckern und Telefonen, Hotelbetten und Pharmalabors, Shoppingcentern und Uhrmachern ist ihm eine gute Mischung gelungen. Bildhaft und ermutigend, denn "So funktioniert Wirtschaft" zeigt auf freundliche Weise, dass Ökonomie nach wie vor von und für Menschen gemacht wird. Irgendwie tröstlich. (ab 15 Jahre)

Reinhard Engel: So funktioniert Wirtschaft. Ein Sachbuch für Jugendliche. Leykam Verlag, Graz 2016. 170 Seiten, 24,50 Euro.

© SZ vom 20.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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