Berlinaleblog:Abstieg in die Jutetaschen-Liga

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Geräumig, praktisch, gut: Der heimliche Star der Berlinale ist die Festival-Tasche. Seit Jahren gilt sie als kultiger Botschafter des Events. Doch nun geben die Veranstalter auch noch diesen Vorteil leichtfertig aus der Hand.

Paul Katzenberger

Festival-Direktor Dieter Kosslick (rechts) mit Berlinale-Tasche.  (Foto: dapd)

Wenn die Berlinale inzwischen schon nicht mit ihrem Wettbewerb gegen Cannes oder Venedig ankommt, so hatte Berlin im Vergleich mit den beiden Hauptkonkurrenten doch immer einen gigantischen Pluspunkt: die Berlinale-Tasche. Dem Modell von der 59. Berlinale vor drei Jahren verdanke ich sogar meine Bekanntschaft mit einer mazedonischen Filmkritikerin. Als ich ihr im vergangenen Sommer bei einem Filmfestival immer wieder mit dem roten Stück begegnete, musste ich doch mal nachfragen, warum sie deutscher Wertarbeit so treu verbunden ist. Was ich dann zu hören bekam, war eine Eloge auf die Berlinale-Tasche: Geräumig, praktisch, gut und auf jeden Fall viel besser als etwa die Cannes-Tasche.

Da kann man den Berliner Festivalmachern noch so oft vorwerfen, dass unter ihnen Gleichgültigkeit und Beliebigkeit Einzug erhalten hätten. Dass sie nur noch kriterienvergessene Wettbewerbe hinbekämen und Toronto der Berlinale ohnehin inzwischen den Rang abgelaufen habe. Doch mit der Tasche war ihnen ein echter Coup gelungen. Nicht nur dass mazedonische Filmschaffende freiwillig das ganze Jahr Werbung für die Berlinale machten, das Ding warf sogar noch richtig gut Geld ab. Seit die Berlinale-Tasche nicht nur an die akkreditierten Gäste des Festivals wie Journalisten oder Filmemacher abgegeben, sondern auch im Fanartikel-Shop verkauft wird, ist sie heißbegehrt: Das gute Stück ist oft als erstes Souvenir ausverkauft und bei Ebay ein durchaus gefragtes Produkt.

Man kann ohne Weiteres das Gefühl bekommen, dass die Gestaltung der Berlinale-Tasche für viele Berlinale-Fans von erheblicher Bedeutung ist. Legendär ist nicht nur die rote Tasche aus dem Jahr 2009, sondern auch die von 2006. Damals war sie aus Plastik und stank bestialisch. 2011 sah sie recht vornehm aus in ihrem dunkelblau, doch mit der Qualität haperte es zum allgemeinen Bedauern vieler Filmfans leider ganz gewaltig.

Wer sich mit historischen Berlinale-Taschen auskennt und am besten ältere Stücke besitzt, kann demonstrieren, dass er seit Jahren zum engeren Zirkel dieses größten deutschen Filmfestivals zählt. Die aktuelle Berlinale-Tasche kaufen kann schließlich jeder (im Notfall bei Ebay). Eine Tasche - sagen wir aus dem Jahr 2001 - weist hingegen auf einen echten Routinier hin.

Kurzum: Die Berlinale-Tasche war jahrelang das ideale Marketing-Instrument mit Kult-Charakter bei den Berlinale-Besuchern, das noch dazu Geld abwarf.

Doch all diese Errungenschaften sind nun in Gefahr. Denn aus völlig unverständlichen Gründen entschieden sich die Berlinale-Macher in diesem Jahr für den Abstieg in die Jutetaschenliga. Statt einer vollwertigen Umhängtasche gibt es jetzt nur noch einen roten Beutel aus dünnem Stoff, der seinen Träger so läppisch aussehen lässt wie Festivalchef Dieter Kosslick auf dem Foto oben. Jutetaschen - das mag für Filmfestivals in München oder Wiesbaden angehen, doch für die Berlinale ist das ein Abstieg.

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