Bekanntes im neuen Gewand:Heidi, Heida

Lesezeit: 1 min

Alexa Hennig von Lange schickt Johanna Spyris Heldin wieder auf die Alm. Sie spielt mit Versatzstücken aus dem Klassiker.

Von Carola Zinner

Man nehme: einen Großvater, eine Almhütte und einen Ziegenhirten namens Peter, gebe ein Mädchen dazu, das weitgehend allein in der Welt steht, und streue etwas Käse drüber: Schon liegt eine neue Variante des Kinderbuch-Dauerbrenners "Heidi" auf dem Tisch. Die Frage "Darf man das?" erübrigt sich, dafür gibt es einfach schon zu viele Neufassungen von Johanna Spyris Meisterwerk. Wichtig ist vielmehr: Funktioniert es?

Alexa Hennig von Lange hat das Dorf in den Schweizer Bergen in die Jetztzeit versetzt. Die Ich-Erzählerin, eine muntere Elfjährige aus Berlin, wird von ihrer alleinerziehenden Chaos-Mutter beim Großvater auf der Alm abgeladen. Dort oben gibt es weder Wlan noch Handy-Empfang, dafür aber Tannenrauschen, Bergesglühen und ein wohlgeordnetes Leben mitsamt eigenem Kämmerchen unter dem Dach. Und so kommen Enkelin Isla und ihr mürrischer Alm-Opa schon bald ganz gut miteinander zurecht. Auch das Leben unten im Dorf ist weniger fade als befürchtet; es entpuppt sich vielmehr als weiches Auffangbecken für die gestrandete Stadtpflanze. Ihr neuer Freund Peter hat zwar ständig die Glotze an und pflegt - echt berglerisch - seine Macho-Allüren, kann aber schnitzen, bringt Isla in 20 Minuten das Schwimmen bei und steht - samt Großfamilie - auch sonst stets parat, wenn man ihn braucht. Dazu noch dieser Lehrer: ein gut aussehender Strahlemann, der die Klasse stets charmant im Griff behält und darüber hinaus Heidi - pardon, Isla - sogar noch die dringend benötigten Bergschuhe kauft, in denen sie endlich keine nassen Füße mehr bekommt. Oh du glückliche Schweiz - hier wird alles wieder gut! Es ist zwar nicht recht schlüssig, wie Islas Mutter ihre eigene Kindheit in den Bergen so weit vergessen konnte, dass sie den Weg zur verschneiten Hütte in dünnen Stiefeletten antritt, doch der Leseratten-Qualität des Ganzen tut das keinen Abbruch. Will sagen: Es funktioniert. Und das sogar bei Anhängern der Originalfassung. Vorausgesetzt, sie können sich mit dem gelegentlich etwas penetranten Jugendjargon anfreunden. Als Ansporn dürften dabei die zahlreichen Versatzstücke aus Spyris Roman dienen, die Lange augenzwinkernd präsentiert; die permanenten Mahlzeiten aus Brot und Käse etwa, die der Großvater serviert, oder auch die Namen seiner beiden Geißen. Wie hießen sie doch noch mal?

Alexa Hennig von Lange : Mein Sommer als Heidi. Thienemann -Verlag, Stuttgart 2017 . 240 Seiten, 12,99 Euro.

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: