Bauen für den Bund:Am kürzeren Hebel

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Architekt Stephan Braunfels wurde nicht für den Münchner Konzerthaus-Wettbewerb zugelassen - nun klagt er. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Wieder mal ein Bauskandal, wieder mal Berlin: Stephan Braunfels, Architekt eines Regierungsbaus an der Spree, wirft hin. Er fordert etliche Millionen Euro Schadenersatz vom Bund. Man sieht sich also vor Gericht. Mal wieder.

Von Jens Bisky

Im Kunsthaus Lempertz, im Berliner Nikolaiviertel, legt der Architekt Stephan Braunfels noch ein paar Bücher in die Vitrine - für eine Ausstellung mit Grafiken des 2015 verstorbenen Künstlers Ellsworth Kelly. Braunfels trennt sich von den Werken, er braucht Geld für den Rechtsstreit mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, dem BBR. Er wirkt entschlossen, will Ansprüche durchsetzen, die das BBR nicht anerkennt.

Den lange schwelenden Streit hat Braunfels in dieser Woche eskalieren lassen. Er machte öffentlich, dass er den Architektenvertrag für den Erweiterungsbau des Marie-Elisabeth-Lüders-Haus - es gehört zum Band des Bundes an der Spree - gekündigt habe und informierte zugleich über dramatische Schäden an der Bodenplatte des zweiten Untergeschosses. Der Erweiterungsbau im Regierungsviertel sollte ursprünglich 2015 fertig sein, dann war von 2016 die Rede. Aber auch daraus wird nichts. Weitere vier Jahre, wenigstens, werden vergehen, bis das Haus, möglicherweise, Ende 2020 übergeben werden kann.

Wenn Stephan Braunfels erzählt, dann berichtet ein Künstler von der Zusammenarbeit mit einer Behörde, deren Verhalten ihm absurd und ungerecht erscheint. In den Neunzigerjahren hatte er den Wettbewerb für das Paul-Löbe-Haus mit den Abgeordnetenbüros gewonnen, doch rasch wurde klar, dass das Raumprogramm viel zu umfangreich war. Also wurden Pläne für ein weiteres Gebäude entwickelt, das 2003 vollendete Lüders-Haus, in dem vor allem die Bibliothek des Bundestages Platz findet. 2010 begannen die Arbeiten am Erweiterungsbau.

Wer ist schuld daran, dass die Bodenplatte "löchrig wie Blätterteig" ist und saniert werden muss? Ein "Zusammenwirken verschiedener Ursachen aus Planungs-, Ausführungs- und Überwachungsmängeln", erklärt das BBR. Ein Beweissicherungsverfahren läuft, Ergebnisse werden, so eine BBR-Sprecherin, Ende dieses Jahres erwartet. Dass Braunfels den Vertrag gekündigt hat, hängt vor allem mit seinen offenen Honorar- und Schadenersatzforderungen zusammen. Es seien aber, erklärt das BBR, alle Forderungen des Architekten von Honorarsachverständigen geprüft und die berechtigten bezahlt worden. Braunfels wiederum besteht darauf, dass ihm für Bauzeitverzögerungen Schadenersatz zusteht. Auch will er nicht hinnehmen, dass er für einige Arbeiten lediglich nach Zeitaufwand bezahlt wurde - und nicht nach Honorarordnung. Der Stundensatz für Architekten ist vergleichsweise gering, beträgt oft nur zwanzig Prozent dessen, was nach Honorarordnung zu bezahlen wäre. Das BBR schulde ihm, so Braunfels, für diese eine Baustelle, mehr als zehn Millionen Euro. Es sei alles bezahlt, sagt das BBR - die Kündigung daher unwirksam.

Architekten und Bauherren streiten sich auch auf Kosten der Bürger

Die Machtverhältnisse sind asymmetrisch: Der Architekt trägt ein unternehmerisches Risiko, muss im Falle eines Rechtsstreits die Mittel dafür aufbringen, muss Mitarbeiter entlohnen, auch wenn Zahlungen ausbleiben. Die Behörde sitzt am längeren Hebel. Ist der Fall typisch für den Umgang öffentlicher Bauherren mit Architekten? Der Sprecher der Bundesarchitektenkammer sagt, das ließe sich nicht verallgemeinern, der Fall sei so individuell wie das Bauen auch. Die Öffentlichkeit aber hat gute Gründe, nachzufragen, warum es mit peinigender Regelmäßigkeit zu Verzögerungen und Mehrkosten kommt. Wenn Bauherr und Architekt sich vor Gericht treffen, gewinnen die Bürger nichts.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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