Australien:Prolls mit Geld

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Garry Disher: Leiser Tod. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Unionsverlag, Zürich 2018. 347 Seiten. 22 Euro. E-Book 17,99 Euro. (Foto: N/A)

Eine Diebin mit Ansprüchen und ein Sprühdosenrächer, der die Häuser der Reichen mit bösen Inschriften verziert. "Leiser Tod" ist der neue Roman von Garry Dishers, der von der australischen Einsamkeit und Heimatlosigkeit erzählt.

Von Fritz Göttler

Den hübschen kleinen Klee will Grace unbedingt behalten. "Felsen im Blumenbeet", von 1913, "pastellige, graublaue Formen, die von üppigen blauen, gelben, roten und grünen Formen schier erdrückt wurden: Kegel, Dreiecke, Kreuze, Rhomboide, alle irgendwie verzerrt ... Grace wagte nicht, sich darin zu vergucken, aber es war atemberaubend."

Auf den Webseiten "Art Loss" und "Trace It" hat sie einiges herausgefunden über den Klee. 1995 wurde er aus einer Galerie in Liestal in der Schweiz gestohlen. Wie kam er nach Australien, in das Landhaus, aus dem Grace ihn wiederum gestohlen hat? Sind die Besitzer selber Hehler, im großen Stil?

Grace arbeitet hochprofessionell, Diebstahl ist ihr Metier, meist wertvolle elektronische Geräte, die sie an einen dubiosen Hehler verhökert, ab und zu ein Gemälde. Garry Disher beschreibt ihre Arbeit ganz präzise und unspektakulär - die Suche nach lohnenswerten Objekten, klären, wann die Besitzer der Häuser absent sind, in der Stadt oder auf Reisen, beim Einbruch nachts dann die Ausschaltung von Alarmanlagen und Infrarotkameras. Nie einen Einbruch, das ist ihre Regel, in der Region planen, in der sie selber wohnt. Erbeutete Stücke und Geld deponiert Grace in einem Schließfach in einer kleinen Bank. Zu ihren wichtigsten Informationsquellen gehören Hochglanzmagazine, Home Digest, Home Beautiful oder Décor.

Die Raubzüge von Grace laufen im neuen Roman von Garry Disher "Leiser Tod" parallel zum Alltag in der Kripo-Abteilung von Detective Inspector Hal Challis und seinen Mitarbeitern in der Stadt Waterloo auf der Mornington Peninsula. Es ist der sechste Roman dieser Serie, man ist mit den Personen vertraut, ihren persönlichen Problemen und Traumata. Ein Alltag, der von der unzulänglichen Ausstattung der Polizei bestimmt wird, vom Wust der Dienstvorschriften und Protokolle, der Reduzierung des Personals, dem schrottigen Triumph, den Challis fahren muss, weil es keine Dienstfahrzeuge gibt. Es wird in diversen Fällen ermittelt, ein Mädchen, das von einem Mann in einer Polizeiuniform vergewaltigt wurde, eine tote Frau in einem Kofferraum. Ein Bankräuber absolviert eine Überfallserie in kleinen Filialen und entzieht sich jedem Zugriff. Ein Sprühdosenrächer ist seit zwei Monaten unterwegs auf der Halbinsel und beschmiert protzige Anwesen mit bösen Inschriften, "Hier wohnt ein Proll mit Geld" oder "Wichser" oder "Penisprothese". Im Verlauf des Buches berühren sich die einzelnen Geschichten immer wieder, die hinter den Fällen stecken, auch die von Grace, verhaken sich ineinander.

Eine merkwürdige Einsamkeit dringt aus diesen Geschichten, eine australische Einsamkeit, die nur schwer zu bekämpfen ist - Challis' enge Mitarbeiterin Pam Murphy nahm eine Zeitlang Antidepressiva. Das weite leere Land ist abweisend, es weigert sich, den Menschen zur Heimat zu werden. Grace hat ein Haus, von dem sie ahnt, dass sie es eines Tages plötzlich verlassen und aufgeben muss. "Sie war mit nicht sonderlich viel Vergangenheit durchs Leben gesegelt, die ihr hätte als Anker dienen können ..." Sie gleicht einer anderen großartigen Disher-Figur, dem Einzelgänger Wyatt. Neben dem Klee ist sie von einem zweiten Bild verstört, das ebenfalls in dem beraubten Haus an der Wand hing, eine kleine russische Ikone. Sie weist direkt in Grace' Vergangenheit.

Ein "Bristol Beaufighter", im Weltkrieg "Leiser Tod" genannt, wird zum Museumsstück

Auch Inspektor Challis kämpft mit der Einsamkeit. Er hat eine lockere Beziehung mit der Kollegin Ellen Destry, aber die ist für zwei Monate in Europa, um zu studieren, wie man dort Sexualdelikte handhabt. Zehn Jahre hatte Challis sich in eine nostalgische Gegenwelt geflüchtet, hatte in seiner Freizeit ein Flugzeug, einen Dragon Rapide aus den Dreißigerjahren, liebevoll wieder zusammengebaut, den er nun aber nicht verkaufen kann. Die alten Maschinen werden Museumsstücke. In einem Hangar sieht Challis einen Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg, der auch von der Behörde als historisches Stück deklariert wurde, einen Bristol Beaufighter. Die Japaner haben ihn Whispering Death genannt, leisen Tod.

© SZ vom 06.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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