Ausstellung:Unschuldige Glocke

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Die Drei-Ebenen-Installationen von Zilla Leutenegger in der Pinakothek der Moderne wirken wie ein Psychogramm

Von Evelyn Vogel, München

Das Schattenspiel einer duschenden Frau hinter einem Vorhang? Das kann man doch nicht machen. Da läutet beim Betrachter doch sofort die "Psycho"-Glocke im Hinterkopf. Die Schweizer Künstlerin Zilla Leutenegger, geboren 1968 in Zürich, macht es dennoch. Und schert sich herzlich wenig darum, ob man sofort an den Hitchcock-Klassiker denkt oder nicht. Ebenso unbekümmert geht sie mit der Musikauswahl um, die Teil ihrer Arbeit ist. Insbesondere mit dem titelgebenden Song "Ring My Bell".

Mag ja sein, dass das Lied damals tatsächlich für einen Elfjährigen komponiert wurde und nichts anderes als die Telefonitis der Teenies thematisieren sollte. Und mag auch sein, dass Leutenegger die Textzeile nur wörtlich versteht. Aber nachdem Ende der Siebzigerjahre die Disco-Fassung von Anita Ward sämtliche Charts gestürmt hatte - ein Ohrwurm noch heute, dem man sich nur schwer entziehen kann - war der Titel derart übersexualisiert, dass man ihn eben nicht mehr hören kann, ohne an eben dieses Glockenläuten zu denken.

Leutenegger blendet dies aus, arbeitet nicht mit möglichen Konnotationen. Stattdessen konzentriert sie sich ganz auf ihre eigene Gedankenwelt. In ihrer siebenteiligen Installation in der Pinakothek der Moderne lässt sie auf annähernd 400 Quadratmetern mit dem Zyklus "Apartment" eine Art Sehnsuchtsort entstehen, an den sie die Museumsbesucher als Gäste einlädt. Dabei schafft sie für ihr Alter Ego "Z" eine mit Designklassikern und moderner Kunst ausgestattete "Wohnung", in der diese den Tag durchlebt: schläft, aufsteht und duscht, arbeitet, Musik hört, liest - oder sich langweilt. Auch das ist ein wichtiges Moment in ihrer Arbeit.

So erzählt sie in ihrem zur Begleitbuch zur Ausstellung, dass sie als Kind oft allein war und die Zeit totschlug, indem sie sich mit ihrem Hund unter der Treppe versteckte und sich Geschichten ausdachte. Auch die Treppe gibt es als Raum. Und unter anderem legt "Z" in der Küche - statt zu essen - wahllos Schallplatten auf, hört hinein, springt ein paar Rillen weiter, nimmt die nächste und noch eine und noch eine. Wie gelangweilt scheint sie in Form von "Z" auf der Suche nach der perfekten Musik für ihre merkwürdige Stimmung zu sein.

Das Ganze wirkt wie das persönliche Psychogramm eines traurigen Menschen. Doch Zilla Leutenegger, die selbst angereist ist, um ihre Ausstellung zu eröffnen, wirkt ganz und gar nicht traurig. Und man muss auch nicht schräg drauf sein, um beispielsweise ein Fan von Louise Bourgeois zu sein - eine ihrer Heroinen, wie sie bei einem zufälligen Treffen am Rande der aktuellen Bourgeois-Ausstellung im Haus der Kunst erzählt.

Das Besondere an Leuteneggers "Apartment"-Zyklus ist - und damit das Faszinierende an ihrer Arbeit in der Pinakothek: Jeder Raum setzt sich aus mehreren künstlerischen Ebenen zusammen. Da gibt es die Wandzeichnungen, die das Setting vorgeben: die Küchenschränke, das Bett, die Bücherregale, Türen, Fenster, Treppen und so weiter. Die Menschen und fast alles, was sich bewegt, fügt sie über gezeichnete Videoprojektionen in die jeweilen Wandbilder ein. Schließlich, als drittes Moment, stehen ganz reale Dinge in den Räumen: vom Eames-Lounge-Chair über Leuchte, Pflanze, Ventilator und Soundboxen, aus denen die Musik zu hören ist, bis hin zu den extra geschaffenen Kunstobjekten.

Die Wohnraumillusion, die so leicht hingeworfen wirkt, ist eine hoch komplexe Angelegenheit. Und Zilla Leutenegger erweist sich als ausgezeichnete Zeichnerin, auch wenn sie sich, wie sie betont, nie auf eine mediale Richtung hat festlegen lasse. Das "Apartment" selbst stammt aus den Jahren 2004 bis 2007. Der Zyklus gehört zu der Schenkung von Ingvild Goetz an den Freistaat, der diese gerade in zwei weiteren Ausstellungen im Haus der Kunst präsentiert. Die Kunstobjekte und Bilder im "Apartment" sind erst jüngst entstanden. Ihr Alter Ego "Z" fängt an, Kunst zu sammeln. Irgendwie schräg.

Ring My Bell. Zilla Leutenegger , Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40. Bis 4. Oktober, Di-So 10-18 Uhr, Do bis 20 Uhr

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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