Ausstellung:Türkische Moderne

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Das Atatürk Cultural Center wurde 1956 von Hayati Tabanlıoğlu erbaut. Nun plant der Sohn, Murat Tabanlıoğlu, die Erneuerung. (Foto: Tabanlıoğlu Architects)

Die Architekturgalerie stellt das Büro Tabanlıoğlu vor

Von Evelyn Vogel, München

Mit Reisen, wenngleich nicht im Sinne von Ver-Reisen, sondern eher Aus-Reisen begann die von deutschen, österreichischen und Schweizer Architekten geprägte Bautradition im 20. Jahrhundert in der Türkei. Erst lockte der Gründer der modernen Türkei, Kemal Atatürk, zahlreiche Akademiker und insbesondere Baumeister, Bildhauer und Architekten in sein Land. Während der Nationalsozialistischen Herrschaft suchten zahlreiche deutsche Künstler und Intellektuelle, unter ihnen auch viele Architekten, Zuflucht vor Verfolgung in der Türkei. Sie und ihre Schüler schufen die städtebaulichen Vorbilder, die die Bautradition vor allem in Ankara und Istanbul bis heute prägt.

Dieses Erbe behutsam zu modernisieren, aber auch die Tradition zu internationalisieren, hat sich das Architekturbüro von Murat Tabanlıoğlu zur Aufgabe gemacht. Das Büro wurde in den Fünfzigerjahren von dessen Vater gegründet. Der Sohn studierte in Wien, übernahm in den Neunzigern das Büro. Heute bauen Tabanlıoğlu Architects mit ihren 200 Angestellten und Büros in Istanbul, New York, London, Dubai und Doha weltweit. Vor allem aber gehören sie zu einem von zwei türkischen Architekturbüros, die mit ihrer Formsprache das Bild der türkischen Moderne prägen. Wobei Murat Tabanlıoğlu darauf hinweist, dass es die eine typische Handschrift und die eine türkische Moderne nicht gebe. Da in der Türkei noch immer die meisten Gebäude ohne Rat und Tat eines Architekten entstehen, da man nicht von einer übergeordneten Stadtplanung nach westlichem Vorbild sprechen kann, setzen die wenigen renommierten Büros Zeichen, die über die türkische Hauptstadt Ankara oder die heimliche Hauptstadt Istanbul hinausreichen. Bauaufträge kommen vor allem von öffentlicher Hand und von Investoren. Ganze Stadtteile entstehen neu und grenzen oft an den Bestand. Welten prallen aufeinander.

Auch Murat Tabanlıoğlu baut sehr unterschiedliche Projekte und wählt dafür sehr unterschiedliche Handschriften. Ein Projekt ist das Atatürk Cultural Center, kurz AKM, das sein Vater in den Sechzigern plante. Das am Taksim Platz gelegene Opernhaus, zwischenzeitlich von der Abrissbirne Erdoğans bedroht, ist längst zu einem Wahrzeichen Istanbuls geworden. Hier sucht das Architekturbüro Tabanlıoğlu eine moderate Lösung für die Erneuerung. Die Ausstellung "Stage_0 Travelogue" in der Architekturgalerie untersucht anhand von Bildern und Modellen, Aufzeichnungen und Fotografien das Motiv des Reisens und dessen Einfluss auf die Phase null, die als Grundlage des architektonischen Entwurfs gilt.

Stage_0 Travelogue: Tabanlıoğlu Architects, Architekturgalerie, Türkenstraße 30, Eröffnung: Donnerstag, 28. September, 19 Uhr, bis 11. November, Mo. bis Fr., 9 bis 19 Uhr, Sa., 9 bis 18 Uhr

© SZ vom 27.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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