Ausstellung: Rude Britannia:Noch ein Stück Pudding?

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Nur wenige Klischees halten sich so hartnäckig wie das vom "feinen britischen Humor". Die Sommerausstellung der Londoner Tate Britain belegt, dass dieser Humor eher gewalttätig, vulgär und sexbesessen ist.

A. Menden

Nur wenige Klischees halten sich so hartnäckig wie das vom "feinen britischen Humor". Die Sommerausstellung der Londoner Tate Britain belegt, dass dieser Humor eher gewalttätig, skatologisch und sexbesessen ist. Zugleich kann sich Rude Britannia aber aus einem Fundus komischer Kunst bedienen, der in seiner Reichhaltigkeit weltweit unübertroffen sein dürfte.

Die Absurdität des menschlichen Körpers, besonders die Dicken haben es den Künstlern angetan: Ein Bild von Samuel Grimm, in dem livrierte Diener einem grotesken Fettsack Süßes in den Rachen stopfen, scheint die berühmteste Szene aus Monty Python's Der Sinn des Lebens vorweg zu nehmen. (Foto: online.sdekultur)

Speziell England hat in Figuren wie Gillray oder Hogarth immer wieder Künstler hervorgebracht, die zu den bedeutendsten ihrer Epoche zählten und vor vulgärem Humor nicht zurückschreckten. Die Auswahl reicht von einer Karikatur arschküssender Untergebener des Whig-Premiers Robert Walpole im frühen 18. Jahrhundert bis zu David Shrigleys ausgestopfter Katze von 2007, die ein "Ich bin tot"-Schild hochhält. Dazwischen deckt sie eine Unzahl von Facetten künstlerischer Komik in Zeichnung, Malerei, Skulptur, Film und Fotografie ab.

Anders als die meisten Ausstellungen über Humor in der Kunst - 2008 lieferte die Hayward Gallery ein besonders verunglücktes Beispiel mit Laughing in a Foreign Language - ist die Tate-Schau tatsächlich oft sehr komisch. Dabei erweist sich wieder einmal, dass es beim komischen Effekt nicht auf die technische Ausarbeitung, sondern auf die rücksichtslose Umsetzung der Pointe ankommt. Eine elaborierte Arbeit wie George Cruikshanks Panoramagemälde Die Anbetung des Bacchus (1862), mit dem der Künstler den grassierenden Alkoholmissbrauch aufspießen wollte, erstickt an hoffnungsloser Überfrachtung.

Viel besser funktioniert die Reihe Iconic Moments of the 20th Century des Künstlerkollektivs Henry VIII's Wives (1999). Die kruden Nachstellungen historischer Szenen durch schottische Rentner, etwa der Nguyen-Van-Lem-Erschießungsszene aus dem Vietnamkrieg oder der Jalta-Konferenz, sind in ihrer perfekten Mischung aus Fallhöhe, Respektlosigkeit und Schockwirkung erstaunlich witzig. In einigen seltenen Fällen, wie in Hogarths The Rake's Progress, fallen künstlerischer und satirischer Anspruch in eins.

Die Absurdität des menschlichen Körpers, was man hineinstopft, was herauskommt, wie man ihn verziert und wie er verfällt, das ist das dankbarste Ziel grausamer, aber eben oft auch sehr komischer Behandlung. Besonders die Dicken haben es den Künstlern angetan: Samuel Grimms "Noch ein Stück Plum Pudding für Stadtrat Wollop", in dem livrierte Diener einem grotesken Fettsack Süßes in den Rachen stopfen, scheint die berühmteste Szene aus Monty Python's Der Sinn des Lebens um 200 Jahre vorweg zu nehmen. Wie der aufgeblähte "Mr. Creosote" droht auch Stadtrat Wollop zu platzen. Sein Zeichner würde ihm ein solches Ende offensichtlich herzlich gönnen. Rude Britannia gelingt etwas, das man jenseits von Fischli & Weiss-Retrospektiven in Museen nur sehr selten erlebt: Sie reizt zum Lachen.

"Rude Britannia - British Comic Art" in der Tate Britain, London, bis 5. September. Info: www.tate.org.uk, Katalog 17,99 Pfund.

© SZ vom 22.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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