Ausstellung:Kunst der Andeutungen

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Entlarvend: Im Gulbransson-Museum in Tegernsee ist eine Werkschau des Malers und Karikaturisten Hans Reiser zu sehen

Von Sabine Reithmaier

Es passiert nicht oft, dass man in einer Ausstellung neben Leuten steht, die ein innerliches Beben schüttelt. Geht doch nicht, in einem stillen Museum einfach laut loszulachen. Der Maler und Karikaturist Hans Reiser schafft es mit seinen Werken ganz locker, Menschen in diesen inneren Kampf zu verwickeln, den sie oft auch verlieren. In Tegernsee lässt sich das derzeit ganz gut beobachten.

Die große Werkschau "Lätschn, Larvn, Gfriesa" passt hervorragend ins Gulbransson-Museum. Zum einen, weil Reiser in der Tradition der dort beheimateten großen Simplicissimus-Karikaturisten Thomas Theodor Heine, Eduard Thöny, Bruno Paul, Ferdinand von Reznicek und natürlich Olaf Gulbransson selbst steht. Zum anderen, weil er, 1951 in Lenggries geboren, am Tegernseer Gymnasium lange Jahre eine humanistische Ausbildung genoss. Eine solide Grundlage für einen Maler, der sich dranmacht, Klischees zu entlarven und Dingen auf den Grund zu gehen.

Der "Manschgerl-Maler", wie sich Reiser nennt, ist ein äußerst scharfer, aber nie bösartiger Beobachter. Und ein Perfektionist, der aus seiner Bewunderung für die Maltechnik Albrecht Dürers oder Matthias Grünewalds oder die rätselhafte Bildersprache Hieronymus Boschs nie einen Hehl gemacht hat. Auch Salvador Dalí und dessen surreale Malerei, mit der er sich an der Münchner Kunstakademie beschäftigte, fand er nicht unspannend. Von Anfang an verband Reiser traditionelle Malkunst mit neuen Bildinhalten. Er hatte schnell Erfolg. Bereits in den Achtzigerjahren begann er Titelbilder für Spiegel, Playboy , Stern oder das SZ-Magazin zu zeichnen, illustrierte Bücher oder Beiträge fürs Bayerische Fernsehen.

Nein, Sklaven hat er in Katar keine gesehen. So eine überdimensionale Fußballkaiserkrone schränkt Franz Beckenbauers Gesichtsfeld doch ein wenig ein. (Foto: Hans Reiser / Gulbransson-Museum)

Seine Arbeiten sind akribisch bis ins letzte Detail ausgearbeitet, nie auf den ersten Blick in Gänze zu erfassen. Meisterhaft sind seine Ölgemälde, in denen er ganz eigenartige, surreale Szenarien entwirft. Mit den Schrauben, Rädern, Röhren und Muffen der Technik von gestern beschreibt er eine mechanisierte Welt. Im "Kleinen Verwaltungsapparat" sind die skurrilen Menschenfiguren mit Drähten, Ketten oder Schnüren verbunden. Die Bewegung der einen löst die Reaktion der anderen aus, ein endloses Räderwerk in einem Setzkasten.

Schonungslos setzt er sich auch mit den eigenen Landsleuten auseinander. Großkopfig, aufgedunsen, schmalschultrig, kurzbeinig, die Frauen mit üppig-überquellenden Dekolletés - ziemlich groteske Wesen. Noch seltsamer allerdings die "Gwoitsbayerischen", die mit aller Gewalt dazu gehören wollen und sich entsprechend kostümieren.

Was Reiser schätzt, verleibt er freiwillig dem bayerischen Kosmos ein. Die Rolling Stones tragen als "d'Rollstoana Buam" natürlich Lederhosen, und Keith Richards, "genannt Kies", schafft es sogar, Zither zu spielen, während er sich eine Bierspritze verpasst. Amüsant auch die Serie, in der er berühmte Malerkollegen mit einem ihrer wichtigsten Sujets porträtiert. Den "Vinschgerl Hardl" etwa mit seinen Kuhporträts Mona und Lisa, oder den "Engel Michä", der gerade seine berühmte Szene von der "Erschaffung Adams" gemalt hat. Mit leichter Variation natürlich: Ein lässiger Adam zieht den von allen Engeln gehaltenen, hochroten Schöpfergott beim Fingerhakeln über den Tisch. Auf dem aus dem Osservatore Romano gefalteten Papierhut des Malers ist noch in winzigkleiner Schrift ein Artikel lesen: "Michelangelo bemalt die Sixtinische Kapelle mit lauter Nackerten."

Der Pionier (2008), Öl auf Holz. (Foto: Hans Reiser / Gulbransson-Museum)

Gelegentlich wird Reiser auch politisch, malt Beckenbauer als "Blinden Kaiser", dem die zu große Krone über die Augen gerutscht ist. Wie soll er denn da noch den arabischen Scheich sehen, der ihm mit Geldscheinen kühle Luft zufächelt? Oder Reiser lässt in "Don Quichote triumphans" einen geharnischten Seehofer gemeinsam mit Ilse Aigner auf einem Steckenpferd reiten. Gerade haben die beiden Helden ein Schild mit der Aufschrift "Hier entsteht ein Pumpspeicherkraftwerk" erlegt.

Reiser selbst lehnt es entschieden ab, "jedem Zahnstocher in seinem Werk eine tiefenpsychologische Bedeutung" beizumessen. Das ist auch überhaupt nicht notwendig. Es reicht, wenn man die Lust mitbringt, sich auf seine ungezählten Andeutungen und Querverweise einzulassen. Das Lachen stellt sich von allein ein.

Hans Reiser. Lätschn, Larvn, Gfriesa. Karikaturen und Illustrationen. Gulbransson-Museum, Tegernsee, zu sehen bis 6. Dezember, geöffnet Di-So 10-17 Uhr

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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