Ausstellung:Karten der Liebe

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Liebesbotschaften, die der Briefträger bringt: 1915 schickte Heinrich Campendonk seiner Frau Adda auch diese beiden Postkarten und setzte dabei auf die Überzeugungskraft der Bilder. (Foto: VG BIld-Kunst)

Gisela Geiger, die Chefin des Penzberger Campendonk-Museums, verabschiedet sich mit der Ausstellung "Einfach. Magisch"

Von Sabine Reithmaier

Der Kopf eines ernsten, jungen Mannes mit gefalteten Händen, darunter nur eine handschriftliche Textzeile. "Ich bete Dich wiedersehen zu dürfen." Mit diesem Postkartenaquarell, gemalt am 7. September 1915, versuchte Heinrich Campendonk seine Frau Adda zur Rückkehr nach Sindelsdorf zu bewegen. Der damals 25-jährige Maler war wenige Tage nach der Geburt von Sohn Herbert im Februar 1915 zum III. Infanterieregiment nach Augsburg eingezogen worden. Adda blieb allein in der Einöde Sindelsdorf-Urthal zurück. Doch als Campendonk Ende April krankheitsbedingt aus dem Militärdienst ausschied, war sie zu ihrer Mutter nach Kleve gereist. Anscheinend hatte sie es nicht eilig mit der Rückkehr zu ihrem sehnsüchtig wartenden Mann, der ihr auf Karten seine Liebe beteuert. Schon vor der Heirat hatte Campendonk Adda häufig mit Karten beglückt, mit kargem Text, aber ausdrucksstarken Zeichnungen, um sie an seinem Leben teilhaben zu lassen. Zum ersten Mal zeigt das Penzberger Campendonk-Museum nun die hinreißende Postkartensammlung in ihrer Gesamtheit.

Sie ist einer der Höhepunkte in der Ausstellung "Einfach. Magisch", mit der sich Gisela Geiger, langjährige Chefin des Hauses, verabschiedet. Die Penzberger schulden ihr großen Dank. Ohne ihre kämpferische Beharrlichkeit gäbe es in der ehemaligen Bergarbeiterstadt weder die weltweit größte Sammlung an Werken Campendonks noch den 2016 eröffneten Erweiterungsbau an dem alten Haus. Ihren Kontakten ist es auch zu danken, dass die aktuelle Ausstellung mit bisher nicht gezeigten Werken aufwarten kann. Und das, obwohl Geiger aufgrund der unerfreulichen Scharmützel um ihren Abgang in den Ruhestand, in die sich der Stadtrat im Vorjahr verstrickte, nur wenig Zeit für die Vorbereitung blieb.

Noch nie in Deutschland ausgestellt war etwa das Ölgemälde "Zwei Akte in der Landschaft" (1921), eine Leihgabe aus Brüssel, das in Campendonks Zeit in Seeshaupt entstand. Im 1989 erschienenen Werkverzeichnis ist das Bild, das vor einem dunklen Hintergrund aufleuchtende Frauenkörper zeigt, noch als verschollen eingestuft.

Eingeleitet wird die chronologisch geordnete Schau - die Ölgemälde im Neubau, Papierarbeiten im alten Haus - durch ein kubistisch beeinflusstes Selbstbildnis aus dem Jahr 1912. Wenige Monate zuvor, im Oktober 1911, war Campendonk, begleitet von Helmuth und August Macke, am Penzberger Bahnhof aus dem Zug gestiegen. Dort erwartete sie Franz Marc, der die Freunde mit zu sich nach Sindelsdorf nahm. Campendonk, gerade 21 Jahre alt, hatte in Krefeld vier Jahre die Kunstgewerbeschule besucht, bevor er nach Oberbayern aufbrach und zum jüngsten Blauen Reiter wurde. Wie sehr er sich von der Gruppe beeinflussen ließ und wie lang es dauerte, bis er zu seinem Stil und immer reicher werdenden Bildwelten fand, zeichnet die Ausstellung eindrucksvoll nach.

Trotz manch neuer Bilder trifft man auf alte Bekannte. Etwa den "Grünen Kruzifixus in Bayerischer Landschaft", 1913 entstanden, auf dem der Gekreuzigte vor roten Kühen hängt. Die ans Kreuz geschlagenen Arme rahmen ein Dorf mit Kirchturm ein, eine Idylle, an der der grüne Christus keinen Anteil hat. Besser geht es ihm im "Akt unter Kreuz in Bayerischer Landschaft" (1912). In der aquarellierten Zeichnung nimmt ihn eine barbusige junge Frau vom Kreuz, lädt ihn sich über die Schultern, die Miene des Gekreuzigten spiegelt erlöste Erleichterung. Passend dazu der biografische Hintergrund: In diesem Jahr zieht Adda endlich nach Sindelsdorf, 1913 wird geheiratet. Auch der "Penzberger Reiter" (1918) ist wieder da, jenes Aquarell, das Paul Klee so gern gehabt hätte - ein anderer Käufer war schneller - und das aufgrund seiner Empfindlichkeit nicht mehr reisen sollte. Die wohl letzte Gelegenheit, das Bild in Bayern noch einmal zu sehen, sollte man sich nicht entgehen lassen.

Einfach. Magisch. Die Bildwelten Heinrich Campendonks, Sa., 16. Juni, bis zum 16. September, Museum Penzberg - Sammlung Campendonk

© SZ vom 15.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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