Ausstellung:Ein Spiel der Verführung

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Die Frau und ihr reinstes Vergnügen - die Zigarette. Eine Nahaufnahme aus der Installation "Frauen von Antwerpen im November" von Chantal Akerman. (Foto: Christian Kain/Espace Louis Vuitton)

"Les Approches": Installationen der belgischen Filmemacherin Chantal Akerman und der französischen Künstlerin Annette Messager im Espace Louis Vuitton

Von Fritz Göttler

Eine ganze Nacht mit den Frauen von Antwerpen. Sie machen die Plätze und Straßen, die Gassen und Arkaden der belgischen Stadt zu ihrem Schauplatz. "Femmes d'Anvers en Novembre" heißt die Installation, die die Filmemacherin Chantal Akerman im Jahr 2008 gestaltet hat und die gerade im Espace Louis Vuitton München zu sehen ist zusammen mit einigen Einzelstücken der Sammel- und Collagekünstlerin Annette Messager (bis 24. September). Akermans Installation besteht aus zwei Projektionen über Eck, die von der Materie des Kinos selbst handeln, vom Diffusen, Verwehenden, Imaginären - Frauen, die sich dem Zigarettenrauchen hingeben. In der einen Projektion eine Frau in Nahaufnahme, innen, eine Zigarettenlänge lang kreist die Kamera über ihre Finger mit der Zigarette, ihre Ohren, ihre Augen, den Aschenbecher, in den sie ein paar Mal die Asche abstippt und schließlich - eine letzte Bewegung zum Mund zurücknehmend - den Stummel ausdrückt. Ein letzter Rauchfaden, der hochsteigt, ein letzter Blick in unsere Richtung. In der parallelen Projektion dazu gibt es fünf verschiedene Loops, diverse Szenen, außen nachts, mit rauchenden Frauen, statuarisch oder in Bewegung, ihre Konzentration wird nur manchmal von einem vorbeifahrenden Auto gestört oder durch den Regen.

Ein Spiel der Verführung, auf das man sich fasziniert einlässt. "Les Approches" heißt die kleine Doppelschau Akerman/Messager, beide Teile inszenieren das Ineinander von Annäherung und Distanzierung, von Natürlichkeit und Stilisierung, das Spiel mit großen Gesten und pathetischen Formeln, im dunklen Projektionsraum unten und im lichten, weißen Raum im ersten Stock, wo Annette Messager (verheiratet mit Christian Boltanski) an der Wand ihre Sammlung von Sprichwörtern, "Ma collection de proverbes" präsentiert, 15 ziemlich dumme Sprüche über Frauen, aufgespießt wie Schmetterlinge: Man muss die Frau fürchten und den Donner . . . Liebe deine Frau wie deine Seele und schlag sie wie deinen pelzgefütterten Mantel . . . Alles kommt von Gott, nur die Frau nicht . . .

Kinderspiele in die Welt der Erwachsenen transportieren, hat die Psychoanalytikerin und Erzählerin Caroline Eliacheff die Kunst von Annette Messager beschrieben. Bei Chantal Akerman ist die erwachsene vor allem eine Männerwelt. In der die Frauen als Fremdkörper auftreten, sie torkeln, kreiseln, blättern in einem Buch, verharren, sinken zu Boden. Sie sind in sich versunken und lassen doch eine unsichtbare Gemeinsamkeit spüren. Sie beschwören die Posen des film noir, des amerikanischen der Vierzigerjahre, aber auch des französischen der Dreißiger. Und die der Filme von Akerman selbst, vom Ende der Sechziger bis zum vorigen Jahr, als sie sich mit 65 Jahren das Leben nahm.

Den Akt des öffentlichen Rauchens vollziehen diese Frauen mit bemerkenswerter Selbstsicherheit und Freiheit. Bis weit ins vorige Jahrhundert hinein galt das Zigarettenrauchen als weibisch, die Männer hielten sich protzig an ihre Zigarren. Nur Dandys zelebrierten die Kunst der Zigarette. "Sie ist das reinste Vergnügen", hat Oscar Wilde erklärt, mit erschreckender Eindeutigkeit, sie stimuliert, ohne zu befriedigen.

Der männliche Blick schiebt Frauen auf der Straße gern in die Sphäre der Prostitution. Die Frauen von Antwerpen führen dieses Spiel souverän ad absurdum. Sie schaffen ihre eigene Aura, wenn das Licht der Straßen sich fängt im Rauch, den sie in die Höhe schicken.

Espace Louis Vuitton, Maximilianstr. 2a, 558 93 81 00, bis 24. Sept., Mo-Fr 12-19, Sa 10-18 Uhr, Eintritt frei

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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