Ausstellung:Böse Botschaften

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"Der z/weite Blick" - eine Ausstellung im Farbenladen untersucht die komplexe Verbindung von Vorurteil und Jugendkultur

Von DIRK Wagner

Das Che Guevara-T-Shirt, das die jungen Männer auf dem Foto tragen, lässt zunächst auf eine linke Gesinnung der beiden schließen. Doch das Foto zeigt einen Nazi-Aufmarsch, in welchem das Che-Guevara-Motiv auf dem T-Shirt nur dazu dient, öffentlich die Farben Schwarz-Weiß-Rot zu kombinieren, die bis zum Ende des ersten Weltkriegs die offiziellen Farben des Deutschen Reiches waren. Nach der Einführung der schwarz-rot-goldenen Flagge signalisiert die Verwendung der früheren Reichsflagge eine Ablehnung der parlamentarischen Demokratie. Solche Informationen erschließen sich oft erst auf dem zweiten Blick, erklärt Christoph Rössler von den Pastinaken die Ausstellung "Der z/weite Blick" , die eine vom Berliner Verein "Archiv der Jugendkulturen" konzipierte Wanderausstellung über Diskriminierungen in der Jugendkultur im Farbenladen des Feierwerks um eigene Exponate, Vorträge und ein pädagogisches Konzept erweitert. "Wir suchen das Gespräch mit den Jugendlichen, um zu erkunden, ob wir die Symbole in der Jugendkultur auch richtig deuten", sagt Rössler, dem als früheres Mitglied der Band Ziehgäuner schon aufstößt, dass eine Informationstafel der Wanderausstellung eben diese Band ob ihres Bandnamens in einen Sinti- und Roma-diskriminierenden Kontext setzt: "Da hat bei uns niemand angefragt, warum wir uns so nennen und warum wir den Namen bewusst anders schreiben."

Allerdings ist es Daniel Schneider, Mitarbeiter im Archiv derJugendkulturen e.V., auch ein Anliegen, Antiziganismen sogar in romantisch verklärten Sini- und Roma-Beschreibungen zu entdecken. Immerhin weckt dieses Wilde, Leidenschaftliche, Freiheitsliebende, das mit jenem "fahrenden Volk" assoziiert wird, auch Sehnsüchte im sesshaften Bürger. Schon schnappt die Vorurteilsfalle zu. Die Mehrheit der 120 000 in Deutschland lebenden Sinti und Roma sind nämlich selber sesshaft. Dass die sozial engagierte kolumbianische Sängerin Shakira Sinti und Roma in ihrem Single-Hit "Gypsy" immer noch als diebisch beschreibt, ohne dass Verleumdungsklagen mit solchem alten Vorurteil abrechnen, ist bezeichnend: "Ich stehle vielleicht deine Sachen und trage sie, falls sie mir passen. Ich habe nie etwas vereinbart. Genau wie eine Zigeunerin", heißt es im Song.

Rassismen, die sich augenscheinlich erst einmal nicht gegen eine unterschwellig dann aber doch diskriminierte Gruppe richten, fasst die Ausstellung als Exotismen zusammen, die jeder kennt, der einem Elvis Presley oder Mick Jagger schon mal anerkennend nachsagte, dass er klingen würde wie ein Schwarzer. Immer noch wird dunkelhäutigen Menschen das bessere Rhythmusgefühl unterstellt, derweil die intellektuell anspruchsvollere Klassik weißen Komponisten vorbehalten bleibt. "Natürlich greift auch die Jugendkultur gängige Vorurteile der Gesellschaft auf", sagt Rössler und widerspricht damit der Vorstellung von einer progressiven Jugendbewegung, die bewusst die von Erwachsenen geduldeten Ungerechigkeiten abbauen mag.

Stattdessen festigt selbst die selbstbewusst wirkende Lena Meyer-Landrut in ihrem Hit "Satellite" ein überholtes Frauenbild als abhängiges Sexualobjekt. Fünfzig Jahre nach den ersten Politessen in Deutschland sind Frauen in den hiesigen Skateboardparks immer noch selten anzutreffen. Wo trotzdem Skaterinnen in die Männerdomäne eindringen, wird ihr Können oft als "nicht schlecht für ein Mädchen" gewürdigt. Im direkten Wettkampf versuchen die männlichen Mitstreiter noch immer, die Frauen zu schützen, weil es offensichtlich die Aufgabe des stärkeren Mannes ist, der schwächeren Frau zu helfen. Sexismen finden sich also nicht nur in den derben Texten einiger Hip-Hop-Stars sondern auch in Rollenverteilungen, die sich schon in der heilen Welt der Waltons bewährt haben.

Letztlich, so hatte es schon der englische Kulturwissenschaftler und Musikjournalist Jon Savage in seinem Buch "Teenage. Die Erfindung der Jugend (1875 - 1945)" konstatiert, ging auch der Nationalsozialismus aus einer Jugendbewegung hervor. Umgekehrt betont die Ausstellung allerdings, dass zum Beispiel nicht jeder Skinhead ein Neonazi sei. Im Farbenladen ausgestellte Skateboards mit entsprechenden Motiven zeigen indes, dass Neonazis längst schon in anderen Szenen versuchen, ihre Gesinnungen zu verbreiten.

Unter Grauzonen sortiert die Ausstellung darum Bands, die nicht nachweislich rechtsradikal sind, rechte Gesinnungen aber zu tolerieren scheinen oder gar selbst eine rechte Vergangenheit haben. "Wenn die Band Frei.Wild in ihrem Song ,Brixen' davon singt, dass jene schöne Stadt, der ,Stolz unserer Väter, voll Kultur und Kunst' nun von ,Bauten fremder Welten' verschandelt wird, könnte sich das islamfeindlich auf Moscheen beziehen", erklärt Johannes Scholz von der Fachinformationsstelle gegen Rechtsextremismus in München, warum er Behauptungen, Frei.Wild sei nicht rechts, misstraut. Vorträge, Filme und Konzerte ergänzen die Ausstellung, die sich vormittags an Schulklassen und nachmittags an jeden richtet.

"Der z/weite Blick" , Farbenladen, Hansastr. 31, bis zum 30. Juli

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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