Auslandsoscar:Falsche Zähne, gute Laune

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Oscarstimmungen in Los Angeles: Zum Beispiel bei einem Häuflein Pro-Trump-Demonstranten - und beim Fest der Deutschen, die schnell das Gefühl haben, die ganze Politik schade ihren Siegchancen sehr.

Von Peter Richter

Ein paar Stunden vor der Oscar-Verleihung waren die Demonstranten aufgezogen. Sie standen am U-Bahnhof Hollywood Boulevard / Vine Street. Man vergisst ja immer, dass Los Angeles auch ein U-Bahn-Netz hat. Vielleicht weil es so klein ist. Die Demonstration war auch nicht besonders groß, ein Dutzend Leute, aber sie erregten Aufsehen, weil sie Amerika-Fahnen und "Trump"-Banner schwenkten und sich in Sprechchören dagegen verwahrten, dass "Celebrities" in ihrem Namen sprechen. Die Gruppe nannte sich "San Fernando Valley for Trump Celebration Group", rief "Hollywood, don't divide us" und bekam von den Passanten meistens böse, manchmal aber auch aufmunternde Worte zu hören.

In Los Angeles ist so etwas bemerkenswert, weil sich die Stadt ja als Bollwerk der Trump-Gegnerschaft sieht, und weil "Hollywood" - als Sozialzusammenhang Filmwirtschaft - versprochen hatte, diese Gegnerschaft bei der Verleihung der Academy Awards zu artikulieren. Donald Trump teilte auf Twitter mit, dass er an dem Abend mit Gouverneuren aus den Bundesstaaten dinieren und die Gesundheitsreform besprechen werde, im Klartext also viel zu beschäftigt sei, um die Kritik und den Hohn überhaupt wahrzunehmen. Aber er war leider trotzdem die Hauptperson.

Wer sich an so einem Abend Hoffnung auf eine Auszeichnung für seine filmische Arbeit macht, für den muss diese extreme Politisierung ungefähr so bitter sein wie für einen Sportler, dessen Karrierehöhepunkte in politische Olympia-Querelen geraten. Nominiert zu sein heißt schließlich nichts anderes, als für eine Weile in der Hoffnung zu leben, dass so ein Preis ausnahmsweise doch einmal die halbwegs objektive Würdigung einer Leistung sein könnte - und nicht nur ein politisches Statement. Das war dieses Jahr aber schwerer als sonst. Schon beim traditionellen Empfang der deutschen Filmwirtschaft in der Villa Aurora wurde immer wieder darüber spekuliert, wie chancenlos "Toni Erdmann" wohl leider gegen "den iranischen Film" sei. Die Regisseurin Maren Ade hat das nicht mitbekommen müssen. Für ihren Film, den sie übrigens zum Teil exakt hier, als Stipendiatin in Feuchtwangers altem Exil-Schlösschen, geschrieben hat, bekam sie an dem Tag nämlich wieder einmal was verliehen, diesmal den "Independent Spirit"-Award, einen Preis für unabhängig produzierte Filme. Aber das ist halt kein Oscar, und eine anwesende Deutsche ist kein abwesender Iraner, und was das für die jeweiligen Oscar-Chancen hieß, das war zwar für den deutschen genauso wie für den iranischen wie für alle anderen nominierten Beiträge in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" letztlich eine Beleidigung, aber so ist das nun leider mal. Auch daran ist gewissermaßen Trump schuld.

Wäre der iranische Film auch ohne Trumps Reisebann an "Toni Erdmann" vorbeigezogen?

Alle fünf für den Auslands-Oscar nominierten Regisseure hatten dann kurz vor der Verleihung eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie sich gegen den Geist des Fanatismus und des Nationalismus wandten, der jetzt in den USA und anderswo herrsche. Man glaube nicht an Grenzen, hieß es darin auch. Wie sehr so etwas Donald Trump und die Seinen beeindruckt, muss am Ende natürlich genau so offen bleiben wie die Frage, ob "The Salesman" auch dann den Oscar gewonnen hätte, wenn der Film nicht aus Iran wäre und Präsident Trump keinen Einreisestopp für Iraner erlassen hätte. Die Weigerung, an so etwas wie Grenzen zu glauben, klingt allerdings auch deutlich internationalistischer als so eine Veranstaltung dann halt trotzdem aussieht, wo ein iranischer Film gegen einen deutschen, schwedischen, dänischen und australischen antritt. Natürlich ist es ein frommer Wunsch, dass das Nationale keine Rolle spielt, solange nationale Filmförderungen die Dinge finanzieren und gute alte Nationalklischees die Rezeption bestimmen. "Toni Erdmann" sei unterhaltsam und lustig, obwohl der Film aus Deutschland stamme, hieß es immer erstaunt in der amerikanischen Presse. Eine anonyme Oscar-Jurorin wurde allerdings auch dahin gehend zitiert, dass der Film langweilig und zäh sei, die Deutschen seien nun mal nicht lustig.

Auf jeden Fall gibt es unter den Deutschen deutlich mehr Raucher als unter den Amerikanern, weshalb die einen murren, wenn die anderen Punkt 22 Uhr schon die Dachterrasse schließen. Aber die Gäste der deutschen Oscarparty im Hotel-Penthouse auf dem Sunset Boulevard waren eben auch ganz offensichtlich entschlossen, nicht depressiv mit den Schultern zu zucken wie die Schauspielerin Sandra Hüller in "Toni Erdmann", sondern gewissermaßen die falschen Zähne der guten Laune einzusetzen, auch wenn das sichtlich nicht allen leicht fiel. Dafür schien die Oscar-Verleihung aber mit der Verkündigung eines falschen Siegers ganz am Ende gleich das komplette Grundrezept des deutschen Beitrags übernommen zu haben - das Schaffen von maximal peinlichen Momenten. Ab dem Moment war die Stimmung dann einigermaßen gelöst.

© SZ vom 28.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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