Aus der Tierwelt:Im Gänsemarsch durch die Steppe

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Muntere Geschichten über die Wanderschaft der Tiere, die immer wieder erstaunen. Besonders darüber, dass sie sich nicht um Grenzen kümmern, wie die Tiroler Steinschafe am Brenner.

Von Stefan Fischer

Die Herdentiere bevorzugen eine Pauschalreise, Individualisten hingegen wählen eine Frachtschiffpassage. Es gibt unter den Tieren Weltreisende und solche, die auch auf Reisen den eigenen Sprengel kaum aus dem Visier lassen. Touristisch halten es die Tiere also nicht anders als die Menschen. Daraus schlagen Inga Marie Ramcke und Tonia Wiatrowski in ihrem Reiseführer für Tiere manchen Funken. Das Buch berät natürlich keine urlaubswepsigen Viecher, sondern informiert und unterhält neugierige Kinder. Die erfahren zugleich etwas über manche Tierart und über die Welt. Denn über das tierische Wanderverhalten erzählen die Autorinnen automatisch von beidem.

Es geht oft um ganze Arten, etwa die der Küstenseeschwalbe. Diese Vögel fliegen jedes Jahr von der Arktis in die Antarktis und zurück. Manchmal picken sich Ramcke und Wiatrowski auch ein einzelnes Tier heraus, das ein individuelles Abenteuer erlebt hat, mitunter wider seine Art. So berichten sie von einem Dugong - diese Seekühe sind gewöhnlich keine Langstreckenschwimmer -, der auf der Suche nach Nahrung von der indonesischen Küste bis zu den Kokosinseln schwamm, mehr als tausend Kilometer weit.

Klar, auch eine Pups-Geschichte darf in solch einem Kinder-Sachbuch nicht fehlen zur Erheiterung: Saiga-Antilopen laufen im Gänsemarsch durch die Steppe, die Schnauze am Hinterteil des Vordertiers. Saiga-Antilopen können ihre Nasen verschließen, gegen den Staub, den die Herde aufwirbelt. Und das hilft natürlich auch, wenn das Vordertier Blähungen hat. Vielleicht ist nicht alles für bare Münze zu nehmen in diesem tierischen Reiseführer, aber das kennt man ja aus vielen Reiseberichten von Menschen auch: Da wird gerne mal etwas gehörig aufgebauscht. Das Buch sensibilisiert aber auch für den einen oder anderen Irrwitz der Globalisierung, die auch die Mobilität von Tieren drastisch erhöht hat: So sind Wollhandkrabben in den Ballastwassertanks von Frachtschiffen nach Europa gelangt. Heute leben die Tiere auch in der Elbe, sie werden dort gefischt und nach Asien verkauft - und gelangen auf diese Weise in ihre Heimat zurück, wo sie insbesondere in China gerne gegessen werden. Pauschalreisende Tiere sind übrigens die Tiroler Steinschafe, die, angeführt von einem Schäfer respektive Reiseleiter, lustig zwischen Österreich und Italien pendeln. Unbehindert von dem paranoiden Wahnwitz, der gerade am Brenner geplant ist.

Inga Marie Ramcke, Tonia Wiatrowski : Reiseführer für Tiere. Tiere unterwegs - von Ameise bis Zugvogel. Folio 2015. 128 Seiten, 19,90 Euro.

© SZ vom 10.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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