Auktionsfinale:Aus Film und...

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Moderne und Zeitgenossen boomten in dieser Saison bei den großen Auktionshäusern in London oder New York wie nie. Altmeister und das 19. Jahrhundert kommen aus der Mode.

Von Dorothea Baumer

Die Märkte von London und New York liefen in diesem Herbst noch einmal zur Höchstform auf mit gewaltigen Umsätzen und Preisrekorden am Stück, aber auch Anzeichen, dass die Luft dünner wird. Das große Zugpferd blieb natürlich die moderne und zeitgenössische Kunst, das eigentliche Spielfeld der Spekulanten, deren Interesse sich wie gehabt auf ein paar Dutzend Vorzeigesignaturen konzentriert.

Die freigesetzten Geldströme der Londoner Auktionen im Oktober gaben schon einen Vorgeschmack auf ein glänzendes New Yorker Finale. Mit 36 sämtlich verkauften Losen in der Abendauktion und einem Ergebnis von 31 Millionen Pfund fuhr Phillips einen Hausrekord ein. Viele der Zuschläge waren bemerkenswert, wie die 3,8 Millionen für Mark Bradfords Textbild "Constitution IV" von 2013.

Christie's legte sich mit Höchstpreisen für Arbeiten der neuen Malergeneration ins Zeug, für eine von Charles Saatchi eingelieferte Häuserlandschaft von Jonas Wood etwa, die 542 500 Pfund kostete; oder für ein Tortenschlachtbild von Adrian Ghenie (446 500). Hochdotiertes wurde oft gefechtlos übernommen, so Peter Doigs "Gabin Essence" für neun Millionen.

Ähnlich verhielt es sich bei Sotheby's, wo Michael Borremans Drei-Meter-Bild "Girl With Duck" mit zwei Millionen Pfund (Taxe 600 000) Furore machte. Für ein Bleibild von Günther Förg wurden 509 000 Pfund erzielt, für eine Albert-Oehlen-Abstraktion 1,5 Millionen. Ein chinesischer Kippenberger-Liebhaber war bereit, 2,4 Millionen für das Serienbild "Bekannt aus Film und . . ." auszugeben.

Als die eigentlichen Stars des Abends triumphierten allerdings die Werke der italienischen Nachkriegskunst in den "Italian Sales", die mit 42 (Christie's) und 40 Millionen Pfund (Sotheby's) mehr einspielten als die übrigen Zeitgenossen. Eine italienische Angelegenheit ist die Arte Povera längst nicht mehr. Seit Jahren steigen Umsätze und Preise kontinuierlich.

Bieter aus vierzig Ländern boten beispielsweise bei Christie's auf Werke von Lucio Fontana, Enrico Castellani, Paolo Scheggi und nicht zuletzt auf den jüngst entdeckten Alberto Burri, dessen Retrospektive im New Yorker Guggenheim-Museum den Sammlerappetit angeregt haben dürfte. Sein rotes Materialbild "Rosso Plastica M1" wurde bei Christie's mit 3,4 Millionen Pfund teuerstes Los; die weiße Plastikversion der Konkurrenz brachte immerhin 2,6 Millionen. Das Starlos bei Sotheby's, Lucio Fontanas schwarzes "Fine di Dio", schlug allein mit sensationellen 16 Millionen Pfund zu Buche.

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(Foto: SZ)

Die neue Form des Zockens: Modigliani, "Nu couché", 170,4 Millionen Dollar (Christie's).

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(Foto: SZ)

Vincent van Goghs "Paysage sous un ciel mouvementé", 54 Mio. (Sotheby's) .

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(Foto: SZ)

Rekord jagt Rekord: Cy Twomblys graues Schultafelbild "Untitled (New York City)" aus dem Jahr 1968 brachte bei Sotheby's 70,5 Millionen Dollar.

In noch einmal ganz anderen Dimensionen spielte sich das Geschehen in New York ab. Das Angebot der Auktionswochen im November mit impressionistischer, moderner und zeitgenössischer Kunst war üppig. Die Resultate entsprachen den Erwartungen, die allerdings waren hoch.

Ebenso hoch waren die Preisgarantien. Je begehrter die Auktionsobjekte, desto mehr Entgegenkommen erwarten die Einlieferer - in Form dieser vorab ausgehandelten Mindestpreise. Für den Verkäufer sind sie eine feine Sache, für das Auktionshaus sind sie riskant bis ruinös, falls das Los scheitert. Es sei denn, ein Dritter bietet die geforderte Mindestsumme, der dann obendrein auf den Mehrwert wettet, den er sich, in welchem Verhältnis auch immer, mit dem Auktionshaus teilt. Das ist die neue Form des Zockens. In New York wurde sie ausgiebig praktiziert. Eine Rekordgarantie von 500 Millionen Dollar soll Sotheby's für die Sammlung des ehemaligen Chairman Alfred Taubman gewährt haben.

In Christie's kuratiertem Boutiquenverkauf für Milliardäre, "The Artist's Muse", mit handverlesenen Markttrophäen von Paul Gauguin bis Roy Lichtenstein, waren sechzehn der 34 Lose mit einer Garantie versehen, also bereits vor der Auktion verkauft. Mit über 100 Millionen Dollar war das Starlos des Abends geschätzt, ein liegender Akt von Amedeo Modigliani, "Nu couché" von 1917/18. Begehrt bis zur Schmerzgrenze, erwarb ihn ein chinesischer Bieter für 170,4 Millionen Dollar, mithin zum zweithöchsten Preis, der jemals in einer Auktion für ein Gemälde bezahlt wurde.

Bei den Zeitgenossen wurde ein Pop-Art-Gemälde, Roy Lichtensteins "Nurse" aus den Sechzigern, mit 95,4 Millionen Dollar in eine neue Liga katapultiert. Lucio Fontana erreichte mit einem "Concetto Spaziale" (29,1 Millionen), Louise Bourgeois mit ihrer Riesenspinne "Spider" (28,2 Millionen) neue Bestmarken.

Sotheby's parierte die Rekorde: Mit einem Picasso der Blauen Periode, dem 1901 entstandenen Akt "La Gommeuse", der 67,5 Millionen einfuhr. Und mit Cy Twomblys grauem Schultafelbild "Untitled (New York City)", das 70,5 Millionen brachte. Auch den teuersten Warhol der Saison konnte man bieten: einen monumentalen "Mao" in Öl von 1972 für 47,5 Millionen Dollar. Dem starken New Yorker Markt entsprechend waren die meisten Bieter Amerikaner, gefolgt von Chinesen und Europäern.

Nach diesen Erfolgen glich das Londoner Finale der Altmeister-Auktionen einer Bruchlandung. Es ist nicht lange her, da galten Alte Meister als Referenzgröße für Kunstverkäufe, die Sparte selbst als Königsdisziplin. Heute korreliert ein expandierender Zeitgenossen-Markt mit der schrumpfenden Altmeister-Sparte.

Christie's beendete die Saison in London mit fatal niedrigem Ergebnis: 6,5 Millionen Pfund. Zu den Rückgängen zählte das mit vier bis sechs Millionen geschätzte Hauptlos, Hans Hoffmans Dürer-Hase aus dem 16. Jahrhundert. Sotheby's traf den Marktgeschmack etwas besser. Aber auch hier erschöpfte sich das Interesse an einer Zweitversion von John Constables "The Lock" in einem einzigen Gebot, das mit 9,1 Millionen Pfund weit unter den 2012 für die Erstfassung bezahlten 22,4 Millionen Pfund lag.

Nicht anders blieb auch die Versteigerung der Galerie- und Familiensammlung des Münchner Altmeisterhändlers Konrad O. Bernheimer weit hinter den Erwartungen zurück. Vor allem die ausgewählten Gemälde der Abendauktion scheiterten vielfach. Bernheimes Kunstgeschmack war stark von den eigentlich im 19. Jahrhundert wurzelnden Familientraditionen geprägt - und blieb es, obwohl der Zeitgeschmack zunehmend in eine andere Richtung wies. Am meisten dämpfte wohl das Interesse, dass es relativ junge Auktionserwerbungen waren. Besser lief die Tagesauktion, in der denn auch Sammlungsobjekte mit illustrer Provenienz oder einem Bezug zur Geschichte der über fünf Generationen aktiven Händlerdynastie Bernheimer am höchsten honoriert wurden. Der Altmeistermarkt schrumpft weltweit - und behauptet sich dennoch, wie ein Rückblick (am 2. Januar 2016) auf die deutschen Häuser verrät.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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