Auktion:So wohnt die Macht

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1968 war das Design so futuristisch, dass es auch an Bord von Raumschiffen überzeugte: "Djinn"-Sessel in "2001: Odyssee im Weltraum", (Foto: The Kobal Collection)

Sie sind nicht nur als Designklassiker berühmt, sondern auch aus Filmklassikern: Das Münchner Auktionshaus Quittenbaum versteigert Möbel mit Leinwandgeschichte.

Von Alexander Hosch

Kürzlich wurde auf Arte die faszinierende neue Serie "Stadt ohne Namen" gezeigt. Dort konnte man sehen, dass die schönste schlimme Filmzukunft noch immer so aussieht wie früher. Die Möbel in den Palästen der bösen "Aktiven", die ihre asoziale Stadt durch eine Mauer vor den hungernden "Untätigen" abschließen, stammen nicht etwa von Designern wie Konstantin Grcic oder den Bouroullecs. Nein, die futuristische Zentrale des Unternehmenskraken Aquaville und die Salons der faschistoiden Premierministerin sind mit weißen Ameisenstühlen von Arne Jacobsen aus den Fünfzigerjahren und mit Verner Pantons Sitzlandschaft "S 420" von 1967 ausgestattet. Man denkt an die Interiors von "1984": grau und weiß, glatt und minimalistisch.

Aber bei Möbeln und Autos ist böse eben manchmal gleich cool. Die perfekte Kälte im Setdesign der Arte-Dystopie hätte gut in die Auktion "Design meets Movie" bei Quittenbaum gepasst. Das Münchner Auktionshaus macht am 23. Februar die Probe aufs Exempel: Bringt die Leinwand-Aura bei Möbeln einen Mehrwert? Auktionator Askan Quittenbaum hofft "auf einen kleinen Bonus". Immerhin sei er der Erste, der Film und Design in einer Auktion bündelt. Es geht ja nicht um Paraphernalia von Stars wie sie etwa Bonhams zuletzt unter dem Label "Hollywood Treasures" anbot.

Früh lockte Quittenbaum seine Kunden zum Einliefern: mit einer Liste von Design-Inkunabeln samt deren Kinohistorie - von Fassbinders "Lola" (Bertoias "Diamond Chair") bis Polanskis "What?", wo der berühmte Baseballhandschuh-Sessel "Joe" eine Rolle spielt. Es war nicht einfach, die Lose zusammenzubekommen. Er verlängerte extra den Einlieferzeitraum, erzählt er, und versuchte sogar, Setdesigner wie Ken Adam zu motivieren.

Im Mittelpunkt des Angebots stehen Fantasien für Space-Cowboys. Die angebotenen roten "Djinn"-Sitzmöbel von Olivier Mourgue - Sessel, Sitzbank und Zweiersofa (1200-4000 Euro), 1965 für einen französischen Hersteller entworfen, wirken wie bestellt für Stanley Kubricks Jahrhundertwurf "2001: A Space Odyssey", dessen Raumschiff sie 1968 bevölkerten.

Auch Eero Saarinens "151"-Stühle mit weißer Kunststoffschale aus den Fünfzigern erscheinen, als stammten sie vom Set der "Raumpatrouille Orion", so konstitutiv war ihr Design 1966 für die deutsche TV-Serie (1500-1800 Euro). Natürlich darf hier auch Henrik-Thor Larsens Eiersessel Ovalia aus der "Men in Black"-Trilogie nicht fehlen (3800-4200). Die am Chassis befestigten Zukunfts-Knarren von Tommy Lee Jones und Will Smith muss man sich allerdings dazu denken.

Eine ganze Reihe der eingelieferten Möbel ist einem aus "Mad Men" bekannt, in dem das Sixties-Rundumdesign eine mindestens ebenso bedeutende Rolle spielt wie das Werbegenie Don Draper. Etwa der "Time Life"-Sessel von Charles und Ray Eames. Sonst bestellten die Könige der Madison Avenue vor allem in Dänemark: Midcentury-Armlehnsessel aus Teakholz und Korbgeflecht von Peter Hvidt und Orla Molgaard-Nielsen, Tischleuchten von Louis Kalff und die Stehlampe Studio von Jo Hammerborg erfordern Einstiegsgebote von nur 700 bis 900 Euro. Die Barhocker von Erik Buck (1964), auf denen Draper sich dem Alkoholmissbrauch hingab, werden ab 400 Euro aufgerufen.

Davon abgesehen dominieren Gegenstände aus Kultfilmen des 20. Jahrhunderts die Offerte. Dieter Waeckerlins Tischleuchte Saffa war nie prominenter als 1964 neben Sean Connery in "Goldfinger" (400-600 Euro). Serge Mouilles Lampe und der Eames Soft Pad Chair wären heute wohl auch ohne Woody Allens "Stadtneurotiker" noch berühmt. Und in einem Brudermöbel von Paul Volthers rotem Corona-Sessel saß vor 45 Jahren in "Carnal Knowledge" immerhin Jack Nicholson (mit Ottomane 3300-3800 Euro). Zu den Möbeln, Lampen und Accessoires gibt es passende Filmplakate, die ab 200 Euro erbringen sollen.

Eine eigene Kategorie stellen die Bösewichtstühle dar. Ein Exemplar von Paul Tuttles "Anaconda"-Chair aus Fiberglas über einem dicken Chromrohr diente 1973 in der 007-Verfilmung "Live and Let Die" als Sitzfläche für die "Gastgeber" von Roger Moore (3500-5000 Euro). Der fledermäusige Armlehnsessel von Paul Conti diente 1967 in "Man lebt nur zweimal" als Thron für Spectre-Chef Ernst Stavro Blofeld (500-700 Euro). Nicht weniger begehrt dürfte das cognacfarbene Insektenpanzer-Lederfauteuil des Briten Martin Grierson sein, das 1965 Jean Marais alias "Fantomas" zwischen seine Armlehnen nahm (7500-8500 Euro).

Für interessierte Versteigerer gäbe es noch reichlich Gelegenheiten, Designauktionen mit aktuellen Hollywoodproduktionen zu kreuzen. Der Netflix-Dauerbrenner "House of Cards" etwa stellt adrett gegliederte Machtmöbel aus, die zu den klassizistischen Fassaden von Washington passen.

Den "Tributen von Panem" genügen dagegen aus der Natur gewonnene Waffen und Accessoires, die wie Artefakte aus frühen Kulturen aussehen, während das Kapitol seine Bosheit im Versace-Barock auslebt. In "Game of Thrones" trägt der urige Eiserne Thron die Punk-Maske der Achtziger: ein äußerst stacheliges, gefährliches Möbel, aber mit Cocooning-Effekt für den, der darauf sitzt.

Immer wenn sich in "Stadt ohne Namen" die hungernden Arbeitslosen aus ihrer dreckigen Altbau-Welt zu den Reichen schleichen, staunen sie dort über Kinderzimmertapeten, die von schockgefrosteten Jugendstil-Wellen durchwogt werden, erschauern vor Glas, Stahl und Sichtbeton. Die kalte Seele der Perfektion, die aus den privaten wie den öffentlichen Räumen der Stadt ohne Namen spricht, zitiert noch einen anderen Klassiker: Jacques Tatis gute alte Architekturparabel "Mon Oncle" von 1958 mit den grauen Containerbüros und einer schrecklich futuristischen Villa. Dort tobte die Zukunft zum Beispiel in Form der Stehleuchte Typ 600 von Rosmarie und Rico Baltensweiler. Und auch die gibt es in der Münchner Auktion.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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