Alben der Woche:Gorillaz im Nebel

Damon Albarns musikalisch-visuelles Dauerkunstwerk segelt im zittrigen Sinkflug durch die Melancholie. Florence Welch pendelt zwischen schicksalsschwer und hoffnungsleicht.

Gorillaz - "The Now Now" (Parlophone/Warner)

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(Foto: AP)

Am Freitag erscheint mit "The Now Now" (Parlophone/Warner) ein neues Album von Damon Albarns musikalisch-visuellem Dauerkunstwerk Gorillaz. Es ist schon die zweite Platte in zwei Jahren. Dass Albarn seine ruhelose kreative Energie auf einem einzigen Projekt bündelt, ist einigermaßen neu. "The Now Now" ist nun ein sehr facettenreiches Album geworden (sehr typisch), mit auffällig wenigen Kollaborateuren (sehr untypisch). Eine von zwei Ausnahmen: ein recht müder Gastauftritt von Snoop Dogg im zähen Groove von "Hollywood". Der Rest ist mal sommerlich federnder Retro-Pop ("Humility"), mal ein drückender Synthwave-Tanzabend im Kuhglocken-Dauerbeschuss ("Lake Zurich"). Man könnte das jetzt als zweites durchwachsenes Gorillaz-Album in zwei Jahren wegsortieren, wäre da nicht diese Stimme, die wie keine zweite im zittrigen Sinkflug durch die wundervoll vernebelte Melancholie von Songs wie "Kansas" und "Idaho" segelt.

Jim James - "Uniform Distortion" (ATO Records)

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(Foto: N/A)

Wi-didli-di-di, wi-didli-di-dö-dö. Woah. Hat man seit 1974 jemals wieder einen Plattenanfang gehört wie dieses Gitarrenmassaker, mit dem Jim James seine neue Solo-Platte "Uniform Distortion" (ATO Records) beginnt? Der Sänger von My Morning Jacket spielt dort nämlich heftig verzerrten Bluesrock mit einer Verschwendungssucht, die an die größenwahnsinnigsten Zeiten von Led Zeppelin erinnert. Musik, zu der man mit der Harley Davidson den Hotelflur runterknattern kann. Es wäre nur langweiligster Protz-Rock, wäre da nicht James' Stimme. Oder besser: Wäre da nicht, was da nicht ist in der Stimme von Jim James. Denn dort, wo zu diesen Höllenriffs eigentlich ein Donnergott wüten müsste, ist: nichts als Hall. James' Stimme schwebt durch den Raum, sie scheint von überall und nirgendwo zu kommen. In ihrer Körperlosigkeit konterkariert sie grandios die Körperlichkeit dieser Musik. Oder wie es James selbst ausdrückt: "I'm either behind the times or ahead of the times/ Maybe I'm just out of time" - ich bin entweder hinter der Zeit oder meiner Zeit voraus, vielleicht bin ich aber auch einfach ganz aus der Zeit gefallen. Schon wird aus angegilbtem Bluesrock etwas popistische Dialektik.

Florence & The Machine - "High As Hope" (Universal)

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(Foto: Universal Music)

Völlig aussichtlos dieser stadiongroßen Breitseite Kitsch auszuweichen, die einem binnen Sekunden aus "High As Hope" (Universal) entgegenschlägt, dem neuen Album von Florene & The Machine. Sie hauen einen um, die Streicherfetzen, das dröhnende Piano, das mächtig niederklatschende Schlagzeug, irgendwo im Hintergrund raunt auch noch ein Saxophon. Wenn man sich die Zutaten so anschaut, dann müsste das also eigentlich ganz ganz schlimmer Fertigfraßpop sein. Ist es aber nicht. Und das liegt an Florence Welch. Wie sie auf "Big God" erst wettert und donnert wie ein solcher, nur um ihre Stimme am Ende doch in ihrer Kehle zusammenknittern zu lassen. Wie sie auf "Hunger" durch die Strophen prescht und stolziert, sich aufbläst und dann doch wieder in eine finstere Ecke verdrückt. Da steckt eine Dringlichkeit in Welchs Stimme, aus der einem die Unmittelbarkeit des Lebens mit jedem einzelnen Ton entgegendrückt. Eine Platte, schicksalsschwer und hoffnungsleicht zugleich.

© SZ vom 27. Juni 2018/SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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