Theaterfestival Avignon:Die Katastrophe des Federflugs

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Das Sturmgewehr steht im Ehrenhof von Avignons Papstpalast schon im Mittelpunkt, als noch keiner im Publikum ahnen kann, dass Christophe Montenez als der Nazigigolo Martin von Essenbeck zuletzt damit in die Zuschauerränge ballern wird. (Foto: Christophe Raynaud de Lage)

Das Theaterfestival in Avignon eröffnete mit einer grandiosen Bühnenversion von Viscontis "Die Verdammten".

Von Joseph Hanimann

Ein Bild zu viel und das ganze Programm gerät auf die falsche Bahn. Doch so ist manchmal das Theater, es sagt "gestern", denkt dabei effektvoll unscharf "heute" mit - und verhaspelt sich. Nach Mitternacht zieht sich im Papstpalasthof von Avignon Martin von Essenbeck, der letzte Sprössling einer Stahlunternehmerdynastie, die wie Krupp mit den Nazis kollaborierte, nackt aus und böllert dann von der Bühne mit dem Maschinengewehr um sich ins Publikum. In der Vorlage zu dieser Aufführung, in Luchino Viscontis Film "Die Verdammten", steht Martin am Schluss schweigend vor seiner Mutter und deren Liebhaber, die er in den Tod schickte, und hebt die Hand zum Hitlergruß. Er ist kein "Bataclan"-Terrorist und kann es nicht sein. Ein Missverständnis. Dabei war sonst fast alles richtig bei der Eröffnungspremiere des wichtigsten französischen Theaterfestivals, der besten seit Jahren.

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