Weitere Briefe:Tiere und Menschen

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Ein Leser beklagt sich, dass erneut in einem NS-Prozess gegen einen Greis verhandelt werden soll. Ein anderer Leser hält Zoos für völlig verzichtbar und kritisiert dabei eine Aussage des Osnabrücker Zoodirektors Michael Böers.

NS-Alibi-Prozess

"NS-Prozess vor dem Aus" vom 15. Mai: Ich habe, als Richter im Ruhestand und als Mensch (85), kein Verständnis dafür, dass das Oberlandesgericht Rostock das widerstrebende Landgericht Neubrandenburg zur Eröffnung des Strafverfahrens gegen einen jetzt 96-jährigen ehemaligen SS-Sanitäter im Konzentrationslager Auschwitz angewiesen hat. Man wirft dem Mann Dienste bei oder am Rande der Tötungen im Jahre 1944 vor. Ich wende mich als Beobachter gegen diese Anklage. Und zwar ganz gleich, ob er sich wegen Demenz überhaupt noch verteidigen kann oder nicht. Man zieht nicht gut einen so alten Mann wegen Straftaten vor Gericht, die er vor über 70 Jahren begangen haben soll. Der Staat, die Menschen im Lande und schließlich auch die Opfernachkommen haben kein Recht mehr auf diesen Prozess. Mord verjährt nicht, aber der Strafanspruch ist aus höherem Verfassungsrecht unseres Grundgesetzes verwirkt, wenn er unter diesen Umständen ins Feld geführt wird.

Wer das anders sieht, muss wohl auch ohne Kenntnis der Geschichte der NS-Prozesse sein. Man hat Hunderte, Tausende Todesschützen strafrechtlich unverfolgt gelassen, um sie als Zeugen gegen ihre Vorgesetzten benutzen zu können. Und hohe und allerhöchste Schreibtisch-Judenmörder hat man trickreich und absichtlich laufen lassen, und jetzt das! Es handelt sich um reine Alibi-Veranstaltungen für Versäumnisse in der Vergangenheit. Dieses Beharren auf dem Schutz der Greisen-Menschenwürde verfolge ich, obwohl auch aus meiner Familie zwei Dutzend Verwandte meiner jüdischen Großmutter den Nazis zum Opfer fielen. Klaus Beer, Leonberg

Nah, und doch so fern vom Tier

"Tips und der Tod" vom 19. Mai: Michael Böers Aussage, Zoos seien "letzte Zufluchtsorte" für Tiere, könnte glatt aus einem Satiremagazin stammen. Ob Tiere aus Angst vor Klimawandel & Co wohl freiwillig ihre angestammte Umgebung verlassen, sich in einem beengten Raum einsperren, Verhaltensstörungen entwickeln und sich selbst verstümmeln würden? Es ist zu bezweifeln. Kein Tier hat etwas davon, im monotonen Alltag der Gefangenschaft vor sich hin zu vegetieren, auch wenn dies dem Aussterben der eigenen Spezies entgegenwirken sollte. Tieren eine solche Denkweise anzudichten, strotzt nur so vor Anthropozentrismus und zeigt, wie weit der Direktor des Osnabrücker Zoos von einer rationalen und aufgeklärten Einstellung zum Tier entfernt ist. Nils Drixler, Karlsruhe

© SZ vom 30.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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