Weitere Briefe:Analphabeten und die AfD

Nicht jeder Flüchtling, der hier als Analphabet bezeichnet wird, ist auch in seiner Kultur ein solcher, meint eine Leserin. Ein Leser wundert sich über den Plan, einen AfD-Vertreter ins Kuratorium der Gedenkstätte für den Holocaust zu setzen.

Meistens Zweitschriftlerner

"Analphabetenrate steigt" vom 8. Januar: Die Bezeichnungen "Analphabet" und "Integrationskurse für Analphabeten" (= "Integrationskurse mit Alphabetisierung") sind irreführend. Es handelt sich vielmehr in den allermeisten Fällen um "Zweitschriftlerner", die ihre Herkunftssprache sehr wohl lesen und schreiben können, aber zusätzlich unser lateinisch-griechisches Alphabet lernen müssen. Menschen, die auch in ihrer Muttersprache Analphabeten sind, trifft man hier nur sehr selten an. Man bedenke, dass die meisten Bundesbürger, Akademiker eingeschlossen, in großen Teilen der Welt "Analphabeten" wären, weil sie nicht Arabisch, Persisch, Chinesisch oder sonstige Sprachen mit völlig anderem Schriftsystem lesen und schreiben können. Sara Meiers, Bonn

Zweierlei Maß

"Schande im Kuratorium" vom 12. Januar: Der Bundestag weigert sich, einen AfD-Vertreter in sein Präsidium zu wählen. Aber ins Kuratorium der Holocaustgedenkstätte, da gehört ein AfD-Vertreter hin? Breit wird erörtert, ob Gedenkstättenbesuche für Schülerinnen und Schüler zur Pflicht gemacht werden sollen. Wussten Sie eigentlich, dass der Schwur der Häftlinge des KZ Buchenwald, den Kampf gegen den Nazismus und seine Wurzeln fortzusetzen, als verfassungsfeindlich gilt? Silvia Gingold, Tochter jüdischer antifaschistischer Widerstandskämpfer, geht dagegen vor. Sie spricht vor Schüler/innen, geht mit dem Erinnerungsbuch ihres Vaters auf Lesereisen - und wird dabei vom Verfassungsschutz bespitzelt. Sie klagt dagegen, aber die hessische Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt dem Verfassungsschutz recht, der noch aus seiner Hilfestellung für den NSU bekannt ist. Gingold unterstütze mit ihrer Aktivität die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), das ist die Begründung. Die VVN, 1947 von den ehemaligen Häftlingen gegründet, wird in mehreren Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet, die AfD nicht. Ulrich Sander, Dortmund

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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