Wahlkampf:Politiker härter fordern

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Was sind die wichtigen Themen im Wahlkampf? Zu hohe Mieten, Arbeitsplatzsicherheit, niedrige Renten, Krankenkassenbeiträge und das große Thema Bildung, meint ein Leser. Hier müssten Journalisten die Versprechen der Politiker hinterfragen.

"Wer will was - und was nicht?" vom 14. September und "Krise des Kapitalismus" vom 15. September:

Gegen das Herumschwurbeln

Parteiprogramme zu vergleichen, ist eine angezeigte Maßnahme und dient der persönlichen Entscheidungsfindung. So weit, so gut. Doch sind fünf der Themen, die im Artikel "Wer will was - und was nicht?" dem allgemeinen Medienhype geschuldet und gehen an den Problemen der meisten Wählerinnen weit vorbei. "Zuwanderung", "Dieselskandal", "Putin", "Erdoğan" und "islamistische Gefährder" sind Themen, die nicht primär den Alltag der Wählerinnen und Wähler berühren. Die hohen Mieten sind die Ausnahme in Ihrer Auswahl, vielleicht auch der Dieselskandal. Direkt berühren die Menschen diese Themen: Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen, Arbeitsplatzsicherheit (besonders im Hinblick auf die Industrialisierung 4.0), die Renten, die Krankenversicherung und die Gesundheitsfürsorge, das große Thema Bildung. Zu Letzterem gehören nicht nur die Renovierung der Schulen und ihre digitale Ausstattung, die Lehrerversorgung und -bildung, Kinderkrippen und Kindergärten in ihrem Vorhandensein, dazu die Ausbildung der dort tätigen Fachkräfte. Diese Themen in einem direkten Vergleich zu präsentieren wäre nötig.

Bei der Bürgerbefragung von Angela Merkel im ZDF kam eine Gebäudereinigerin zu Wort. Es ging um ihre zu erwartende Rente. Die Reaktion der Bundeskanzlerin war gekonnt abwiegelnd, keine Schwäche oder Angreifbarkeit zeigend. Unfassbar war, dass die Kanzlerin die Frau auf die Riester-Rente ansprach. Sie zeigte dadurch, dass ihr entweder jede Sachkenntnis oder jedes Problembewusstsein fehlte. Was zum Wählen hilft, ist Konkretion und Festlegung, kein Herumschwurbeln.

Das, was ich darüber in Medien lesen konnte, war im Wesentlichen die Freude darüber, dass die Gebäudereinigerin Merkel in Schwierigkeiten gebracht habe. Was zu lesen erforderlich gewesen wäre, wäre das Herausstellen des Wahlkampfverhaltens, das dem Problem-aus-dem-Wege-Gehen. So etwas muss gebrandmarkt werden. Dann werden unzufriedene Bürgerinnen und Bürger sich in den Medien ernst genommen fühlen.

Journalisten müssen meines Erachtens die Politiker mehr und härter fordern und uns Bürgerinnen und Bürger zu besseren Informationen verhelfen. H. Helmut Dietrichkeit, Lilienthal

Worauf es ankommt

Mutige oder gar visionäre Ansätze fehlen im politischen Einheitsbrei ganz. Kommt es zum Beispiel bei der Digitalisierung wirklich nur darauf an, dass auch der letzte Einödhof seinen superschnellen Internetanschluss erhält, oder ist es nicht wichtiger zu fragen, welche Folgen die Digitalisierung für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Arbeitsplätze haben kann und wie wir uns darauf vorbereiten? Qualifizierte Menschen sind nicht beliebig verfügbar. Mutige Lösungsansätze, wie zum Beispiel ein "Soziales Pflichtjahr" für jeden fehlen komplett.

Der öffentliche Wahlkampf ist langweilig! Leider offenbaren sich keine wirklichen Alternativen, keine überzeugenden Positionen und keine mitreißenden Visionen. Walter Berger, Bad Reichenhall

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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