Union:Koalitionsbildung von oben herab

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Die Kanzlerin macht sich derzeit rar, aber es gibt genug Unionspolitiker, die den möglichen Koalitionspartner SPD an seine staatspolitische Verantwortung erinnern. Leser meinen, Häme und Arroganz in deren Äußerungen zu erkennen.

"Der Kokolores mit der Koko" vom 13. Dezember und "Merkels Ruhe" vom 12. Dezember:

Glyphosat-Votum als Menetekel

Nun sind sie alle staatsmännisch geworden. In Scharen eilen die Vertreter der CDU in die Medien, um die SPD an ihre staatspolitische Verantwortung zu erinnern: Wer wird denn schon wegen so einer Glyphosat-Entscheidung - die natürlich nicht in Ordnung war - eine große Koalition ablehnen? Wegen Verantwortung für das Ganze muss man doch darüber hinwegsehen können. So als ob es sich für die SPD nun um eine Abwägung - Glyphosat-Entscheidung gegen große Koalition - handeln würde.

Nein, hier wird in idealtypischer Weise vorgeführt, wie die CDU/CSU mit dem kleineren Koalitionspartner umgeht. Als größere Partei mit größerem Gewicht, die natürlich auch die höhere Einsicht besitzt und sich nach Meinung von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eh nur "Schwachsinnsargumenten" erwehren muss, meint sie das Recht zu besitzen, ihre Positionen im Alleingang durchsetzen zu können. Will sich die SPD wirklich auf solch eine Zusammenarbeit einlassen, nachdem ihr vorgeführt wurde, dass Verantwortung für das Ganze bei der CDU erst einsetzt, nachdem man die von der Lobby diktierte Entscheidung auch gegen Widerstand durchgedrückt hat?

Dieter Menyesch, Ludwigsburg

Experimente wagen

Die hämische Verunglimpfung des Diskussionsvorschlags einer "Kooperationskoalition" als "Kokolores" zeigt einmal mehr die Fantasielosigkeit der Deutschen einschließlich ihrer Medien, welche die konservative Losung der 1950er-Jahre "Keine Experimente" tief verinnerlicht haben. Die Bedeutung des Bundestags zu stärken, führe zur Handlungsunfähigkeit der Regierung, behauptet Robert Roßmann, ohne dafür einen Beweis anzutreten.

Minderheitsregierung mit vereinbarter Duldung durch die SPD? Das haben wir noch nie so gemacht: Ist also "Kokolores". Dann doch lieber Neuwahlen, die nach den Umfragen kein wesentlich anderes Ergebnis bringen würden. Das wäre wohl wirklich teurer "Kokolores"!

Ekkehard Habel, Medebach

Verblasst

Ein Blick auf die Sitzverteilung zeigt, dass die Opposition ohne die AfD keine Mehrheit im Bundestag zusammenbringt. Der AFD den Triumph einer maßgeblichen Mitarbeit zu gestatten, werden die übrigen Parteien zurecht vermeiden. Also kann Angela Merkel in den kommenden Jahren ungestört durchregieren und wird das auch tun, obwohl ihr Stern in Deutschland und Europa deutlich verblasst ist, und sie daraus Konsequenzen ziehen sollte.

Prof. emer. Ernst Otten, Mainz

Merkel im Schneckenhaus

Alles deutet auf eine wohlüberlegte und inszenierte "Ruhe" der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin hin, die ihr Volk immer seltener zu Gesicht bekommt. Ihr Verweilen in einer Art Schneckenhaus hat sich für Angela Merkel schon einige Jahre zuvor oftmals trefflich bewährt. Je weniger Angriffsfläche man bietet, desto geringer fängt sich gerade ein im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehender Politiker Ärger und Unbill ein. Unter diesem Motto fährt Angela Merkel eine für sie bestmögliche, unangreifbare Tour. Aber eben nur scheinbar! Dass Merkels Autorität "bröckelt", worauf Ferdos Forudastan in "Merkels Ruhe" zu Recht hinweist, ist mithin ein Ergebnis ihrer "Ja-kein-heißes-Eisen anpacken"-Verhaltensweise. Vermutlich entspringt dieses Muster auch dem klugen Spruch: Willst du gelten, mach dich selten ...

Hans-Jürgen Lugmair, Fürstenfeldbruck

Ministerien mit Doppelspitzen

Mein Vorschlag für Koalitionsregierungen wäre: Jedes Ministerium (zumindest die Ministerien Inneres, Wirtschaft, Finanzen und Justiz) erhält eine Doppelspitze von zwei Minister(innen) aus je einer anderen Koalitionspartei. Die Minister sind gleichberechtigt in ihrem Amtsbereich und vertreten sich gegenseitig. Das erfordert sachkundige, unabhängige und teamfähige Personen. Sie werden durch einen Parlamentsausschuss gewählt und wählen aus ihrer Mitte den Regierungschef.

So wird die Politik durchsichtiger, für Bürger und Medien interessanter und damit lebendiger und hoffentlich besser. Viele Bürger sind unzufrieden mit unserem Politikbetrieb, weil er so viel Unfähigkeit und Hilflosigkeit zeigt. Doppel- oder Teamspitzen sind nicht ungewöhnlich, zum Beispiel bei Großunternehmen, Parteien und anderen Vereinen, Kammern und Senaten der Oberen Gerichte.

Heute läuft es jedoch noch so: Jeder Minister besetzt sein Haus, zunächst leitende Positionen, mit Mitgliedern seiner Partei. Diese Tendenz setzt sich automatisch bis in alle Verwaltungsebenen fort, sodass die Partei des Ministers das ganze Haus färbt. Das drückt sich zum Beispiel in angeforderten Stellungnahmen zu Gesetzesvorschlägen aus, in Anregungen jeder Art, Personalangelegenheiten usw., auch im Betriebsklima und im ganzen Verwaltungshandeln. Mit anderen Worten: Die Demokratie endet vor der Tür des Ministers. Der Wählerwille wird hier ausgehebelt. Deshalb mein Vorschlag.

Dori Waltz, Oberaudorf

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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