Türkei:Null Toleranz bei Folter

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Als Reaktion auf den Artikel "Elektroschock" von Yavuz Baydar wendet sich die türkische Botschaft in Berlin gegen die Vorwürfe des Autors. Detailliert wird geschildert, welcher Klageweg möglichen Folteropfern offensteht.

Im Artikel "Elektroschock" vom 16. September behauptete Yavuz Baydar, dass in letzter Zeit die Inhaftierten in den Gefängnissen in der Türkei gefoltert werden würden, dass seit dem Putschversuch die Besuchszeiten eingeschränkt seien, dass die Inhaftierten keine medizinische Behandlung beanspruchen könnten, dass die Gefängnisse überfüllt seien, dass Einzelzellen als Hafträume für Gruppen verwendet würden, dass es in den Zellen keine Belüftung gäbe, dass dies zu Gesundheitsproblemen führen würde und dass in der Türkei nun kein Reporter mehr "störende" Fragen stellen dürfe.

In der Türkei erfolgen die Straf- und Sicherheitsmaßnahmen gemäß dem Gesetz Nr. 5275. Kein Inhaftierter darf in einer Strafvollzugseinrichtung systematisch gefoltert oder misshandelt werden. Im Falle einer Beschwerde kann der Inhaftierte diese unverzüglich an die zuständigen Stellen leiten. In diesem Rahmen wird gegen den Beamten, dem Folter vorgeworfen wird, eine juristische und administrative Untersuchung eingeleitet. Die Inhaftierten haben zunächst Anspruch auf Beschwerde beim Vollzugsrichter. Zudem haben sie die Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Vollzugsrichters eine Beschwerde bei den Strafkammern einzulegen. Im Gegensatz zu anderen Beamten im öffentlichen Dienst ist für die Ermittlungen gegen Beamte, denen Folter vorgeworfen wird, keine administrative Erlaubnis erforderlich, es wird unmittelbar ein juristisches Verfahren durchgeführt.

Im Sinne der "Null-Toleranz-Politik gegenüber Folter" zur Anpassung an das EU-Recht hat die Türkei sämtliche Gesetzesänderungen zur Verhinderung von Folter durchgeführt und Aufsichts- und Gerichtsapparate eingerichtet. Demnach können Strafvollzugseinrichtungen von den NGOs sowie von den parlamentarischen und internationalen Aufsichtsmechanismen regelmäßig und bei Bedarf jederzeit kontrolliert und persönliche Gespräche mit den Inhaftierten geführt werden. Die Haftanstalten werden von den Inspekteuren und Kontrolleuren des Justizministeriums ständig kontrolliert. Außerdem werden sämtliche Entscheidungen der Strafvollzugseinrichtung von den Vollzugsrichtern überwacht.

Für die Kontrolle der Haftanstalten durch unabhängige Organisationen wurde die Verordnung über Kontrollgremien verabschiedet. 145 Kontrollgremien mit insgesamt 720 Beschäftigten wurden eingerichtet. Die Gremien können die Haftanstalt, für die sie zuständig sind, mindestens alle zwei Monate und jederzeit besuchen, einen Bericht erstellen und diesen dann an das Justizministerium, die Große Nationalversammlung der Türkei und an die zuständigen Oberstaatsanwaltschaften weiterleiten. Bei Beschwerden kann außerdem sowohl die öffentliche Aufsichtsbehörde als auch der Menschenrechtsausschuss der Großen Nationalversammlung ohne vorherige Erlaubnis eine Kontrolle durchführen. Zudem können die Strafvollzugseinrichtungen von internationalen Kontrollmechanismen mit Kontrollbefugnis und von den Mechanismen kontrolliert werden, die laut dem Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter, dem Kommissariat für Menschenrechte des Europarates, der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen und dem freiwilligen Zusatzprotokoll zur UN-Antifolterkonvention gegründet wurden.

Die Fläche der Einzelzellen in den Strafvollzugseinrichtungen in der Türkei beträgt mindestens elf Quadratmeter und liegt somit über der vom Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter vorgeschriebenen Mindestfläche von sechs Quadratmetern. Außerdem entspricht die Fläche der Gruppenzellen der international vorgeschriebenen Mindestfläche von vier Quadratmeter pro Person. Alle Zellen verfügen über eine ausreichende Belüftung.

Während ihrer Inhaftierung werden Maßnahmen zum Schutz der körperlichen und geistigen Gesundheit der Inhaftierten getroffen. Zur Diagnose und Behandlung von Krankheiten erhalten sie medizinische Versorgung.

Der Ausnahmezustand, der am 21. Juli 2016 vorübergehend verhängt wurde, steht im Einklang mit der Verfassung. Die in diesem Rahmen durchgeführten Maßnahmen haben nicht dazu geführt, dass die oben beschriebenen fundamentalen Garantien und Kontrollen und sonstige verfassungsmäßig und gesetzlich geschützte Grundrechte wie Presse- und Meinungsfreiheit aufgehoben wurden.

Im Rahmen des Ausnahmezustands hat die Türkei entschieden, einige Rechte und Freiheiten der Europäischen Menschenrechtskonvention gemäß der Konventionen unter bestimmten Bedingungen vorübergehend einzuschränken. Die Konvention wurde jedoch entgegen den Behauptungen nicht ausgesetzt. Was sich in Syrien abspielt, ist eigentlich das seit dem Urkraine-Konflikt bekannte Spiel. Wie dort benutzt Russlands Präsident Wladimir Putin die ihm als Machtmenschen zur Verfügung stehenden Instrumente sehr effektiv: Double Bind und Desinformation. Er hält die Welt und insbesondere den amerikanischen Außenminister John Kerry mit der Hoffnung hin, der Syrienkonflikt könnte diplomatisch gelöst werden, gleichzeitig spielt er die militärische Karte mit äußerster Brutalität, um Fakten zu schaffen, bevor Amerika nach den Wahlen wieder handlungsfähig wird. Man versteht das Zögern von US-Präsident Barack Obama am Ende seiner Amtszeit. Dass er es jedoch versäumte, 2012 sein "Assad must go" konsequent durchzusetzen, ist der größte Fehler seiner Präsidentschaft. Die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges sollte die Menschheit eines Besseren belehrt haben. Versprechungen von Diktatoren auf Wohlverhalten kann kein Glauben geschenkt werden. Vielmehr muss ihnen mit Bestimmtheit entgegengetreten werden. Jürgen Einhoff, Hildesheim

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

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© SZ vom 29.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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