SZ-Werkstatt:Rollkofferkommando

Christopher Schmidt, verantwortlich für die "Literatur"-Seite, beschreibt die schrecklich-schönen Tage der Frankfurter Buchmesse.

Von Christopher Schmidt

Buchmesse ist Fluchmesse - zu solchen Kalauern ist man eben aufgelegt in den hyperventilierenden Tagen der Frankfurter Buchmesse. Schuld ist nicht der Partystress, sondern das Multitasking davor. Es gilt, die Berichterstattung durchzutakten, und zwar engmaschig und auf allen Kanälen. Und dann wären da noch 24 Seiten Literaturbeilage.

Bis zur letzten Minute hatte man um den größtmöglichen Umfang gekämpft, um dann rauschhaft in die anlaufenden Druckmaschinen hineinzutexten. Zudem wird am Messe-Donnerstag traditionell der Nobelpreis für Literatur verkündet, auch das erfordert weiträumige Vorab-Logistik. Schlag 13 Uhr steht man dann meist im Pressezentrum vor dem Fernseher, zusammen mit Dutzenden anderen Journalisten, die, sobald der Name fällt, auseinanderstieben und zu ihren Laptops hetzen. Kassiber mit Telefonnummern und Lagepläne mit Stand-Koordinaten sind vorbereitet, damit die Kollegen gleich losspurten können auf der Jagd nach O-Tönen.

In diesem Jahr erfolgte die Bekanntgabe bereits in der Woche vor Messebeginn, also mitten in der heißen Phase der Beilagen-Produktion, da die Nerven ohnehin runtergeschrubbt sind bis aufs Kupfer. Und wer zu den Juroren des Deutschen Buchpreises gehört, hat sich monatelang durch den Berg der deutschsprachigen Neuerscheinungen gefressen, der nicht nur aus Pudding besteht, sondern oft auch ein hartes Brot ist. In Frankfurt endlich verbringt man viel Zeit damit, sich mit anderen Medienvertretern um die Taxis zu prügeln, und sicher kommt noch der Anruf mit der spontanen Bitte um einen Leitartikel oder eine Themenseite - aber bitte nicht zu nah dran, sondern eher "überhöht". Selten fällt die Literatur bei der Zeitung so hoch wie in diesen schrecklich-schönen Tagen.

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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