SZ-Werkstatt:Griechisches Gewitter

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Christiane Schlötzer war acht Jahre lang Korrespondentin der SZ für die Türkei, Griechenland und Zypern. Inzwischen ist sie Vizechefin der Seite Drei. (Foto: Jörg Buschmann)

Christiane Schlötzer war acht Jahre lang Korrespondentin der SZ für Griechenland. Je mehr sich die Krise zuspitzt, umso mehr leidet auch sie.

Von Christiane Schlötzer

Montagmorgen. Der erste Anruf aus Athen. Ein Freund, er ist auch Journalist, sagt: "Ich hasse Montage." Weil eine neue Woche beginnt, in der sich wieder einmal Griechenlands Schicksal entscheiden könnte - oder eben nicht. Auch das Warten zermürbt . "Das ist eine solche Seelenqual", sagt der Freund, "ich weiß nicht, ob das in Deutschland jemand versteht."

Im Mail-Fach landen Bosheiten und Besorgnis. Beschimpfungen der "Nichtskönner" in Athen und Appelle an Angela Merkel, für Griechenland doch endlich "mehr Verständnis" aufzubringen. Griechische Freunde aus Deutschland schreiben, sie hätten sich am Frühstückstisch bereits wieder mit ihren Liebsten gezankt, wohin Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis ihr Land denn nun führen würden, ins dauerhafte Verderben oder "aus der Knechtschaft" der Kreditgeber heraus. Weil man sich, auch fern von Athen, ständig streitet, lädt man sich gegenseitig schon nicht mehr ein, bei Facebook werden "Freunde" geblockt.

Als Journalistin fühlt man sich in diesem Gewittersturm, der kaum noch Pausen macht, oft genauso hilflos wie die griechischen Gesprächspartner. Was soll man der Kollegin aus Athen auch raten, wenn sie fragt, ob sie ihr letztes Erspartes nicht auf ein deutsches Konto legen soll? "Ich bin doch Griechin", sagt sie. Soll heißen: Patriotin.

Fatalismus, Verzweiflung, Wut: Das Spektrum der Emotionen, das einem bei Recherchen begegnet, ist groß. Wird es gar zu trüb, dann können griechische Freunde auch wunderbare Spötter sein. Das hilft für den Moment. Über Varoufakis gibt es besonders viele Witze.

Und es gibt auch diese Mails, meist mit deutschem Absender: Ob man in diesem Sommer denn noch nach Griechenland fahren könne? Da antworte ich immer mit Ja.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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