Steuern:Woanders hat's der Bürger besser

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Erst kürzlich wurde wieder amtlich festgestellt, wie hoch die Steuerlast der Arbeitnehmer in Deutschland ist. Leser sehen das als ein Versäumnis der Politik. Einer indes will nicht einstimmen in das "Gejammere", wie er es nennt.

Finanzminister Olaf Scholz nach Vorstellung des neuen Haushalts. (Foto: Bloomberg)

"Deutsche Lastenträger" und "Was von 100 Euro übrig bleibt" vom 27. April:

Zu wenige mit Wohneigentum

Die Zahlen belegen, warum der Deutsche von Aufschwung, Exportüberschüssen und Reichtum wenig spürt und nur mäßig zufrieden ist. Das für das Leben entscheidende Netto hält im Vergleich mit anderen Ländern nicht, was das Brutto verspricht. Das deutsche Abgabensystem wächst für Normalverdiener proportional/progressiv mit dem Einkommen. Und wer sich einmal mit seinem Brutto der Bemessungsgrenze für Sozialabgaben näherte, den enttäuscht deren jährliches Nachziehen sowie der progressive Steuerverlauf im Netto. Da helfen auch Überstunden nur bedingt. Bei den Zahlen für Deutschland gehört außerdem zur Realität, dass viele Arbeitnehmer glauben, wegen drohender Minderversorgung im Alter wachsende Anteile vom Netto zur Aufbesserung ihrer Altersrente zurücklegen zu müssen. Zudem verschlingt hierzulande die wegen jahrelanger politischer Versäumnisse allgemein steigende und regional ausufernde Wohnungsmiete einen stattlichen und wachsenden Betrag. Die beim Netto ohnehin begünstigten anderen Bürger in der EU wohnen zu 60 bis 90 Prozent in den eigenen vier Wänden, in Deutschland schafften das bisher nur bescheidene 51,7 Prozent. Anderswo verfolgt man anscheinend einen anderen Politikansatz und fährt für die Bürger damit nicht schlecht. Norbert Vogel, Schechen

Den Mehrwert zahlen

Nachdem auf den Gehaltsabrechnungen alle Steuern etc. abgezogen sind, ist die Steuerlast für den Arbeitnehmer ja nicht zu Ende. Der durchschnittliche Arbeitnehmer gibt den größten Teil seines Netto-Einkommens für Konsum aus, und da warten noch weitere sieben bis 19 Prozent Mehrwertsteuer. Der zweite Punkt: Die Arbeitnehmer müssen, wie Henrike Rossbach schreibt, auch die Kosten für Bildung, Infrastruktur etc. schultern. Das ist aber anteilig auch die Aufgabe der Unternehmen. Hier lässt der Staat allerdings großzügige Möglichkeiten der "kreativen Steueroptimierung" zu, die der Arbeitnehmer nicht hat, zum Beispiel Verlagerung von Gewinnen in Länder mit deutlich niedrigeren Steuersätzen (Briefkastenfirmen). Der dritte Punkt: Der Artikel blendet eine wesentliche Gruppe im Wirtschaftsgeschehen ganz aus: die Investoren. Die Kapitalertragsteuer beträgt ganze 25 Prozent. Dies ist aber nur ein theoretischer Wert, denn je nach "Geschick" des Investors kann diese Steuer legal bis gegen null reduziert werden (Briefkastenfirmen, Steueroasen etc.) Insgesamt ist also die Lastenverteilung noch erheblich ungleicher als im Artikel dargestellt. Fritz Linck, Stadtbergen

Davon profitiert jeder

Was sind wir (denn: Der Staat sind "wir") doch zu bedauern! Wir zahlen überdurchschnittlich hohe Steuern und Sozialabgaben, Singles bluten besonders, wir bilden die Spitzengruppe der belasteten Erwerbstätigen, weltweit! Liebe SZ-Redakteure, auch Ihnen sei mehr Netto vom Brutto gegönnt, aber wann hört dieses unsägliche Gejammere auf? Das ist Wasser auf den Mühlen radikaler Parteien wie der AfD und der extremen Linken, die sich als Schutzpatrone des kleinen Mannes, des ehrlichen Arbeiters etc. im heiligen Krieg gegen den bösen Staat und/oder das "System Merkel" gerieren. Despoten und Demagogen, auch in den USA, sind mit dieser Strategie des Wählerfanges sehr erfolgreich.

Steuern sind ein Beitrag für ein funktionierendes Staatswesen. Davon profitiert auch der "kleine Mann". Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter (Angestellte, am Ende des Monats stand meist nicht mehr als die Null) habe ich es, dank dieses Staatswesens, geschafft, Medizin zu studieren und Arzt zu werden. Da könnte ich Ihnen noch viele, viele beispielhafte Biografien nennen.

Möchten Sie unser Steuer- und Sozialsystem gegen das amerikanische eintauschen? Dort wird Zugang zum Beispiel zur Bildung und zum Gesundheitssystem benutzt, um eine rassistische Diskriminierung aufrechtzuerhalten. Vielleicht ja, denn laut Ihren Grafiken sind die USA Benchmark für ein gelobtes Steuerland. Dr. Thomas Lukowski, München

© SZ vom 04.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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