Schulpflicht:Was sind das für Eltern?

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Erziehungsberechtigte lassen ihr Kind vor den Ferien die Schule schwänzen, weil der Flug in den Urlaub billiger ist. Ist das denn schlimm? Ja!, empören sich SZ-Leserinnen und -Leser.

Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: Michael Holtschulte)

"Jagd auf Blaumacher" vom 22. Mai:

Die eigentliche Gemeinheit

Bravo, Martin Wittmann! Was für ein von Sarkasmus triefender Artikel über einen dermaßen lächerlichen Tatbestand wie Schulverweigerung mit gleichzeitiger Vorteilsnahme für besonders Privilegierte oder wie das juristisch korrekt auch heißen mag. Schule schwänzen - so was von unwichtig! Und so verständlich! Wie Steuerhinterziehung, Geschwindigkeitsüberschreitung, Schwarzarbeit, Versicherungsbetrug... Sehr witzig auch der Hinweis auf die sonstigen Vorkommnisse in Memmingen, ich habe so gelacht! Bemerkenswert, wie die SZ, ansonsten immer auf der Seite der Gerechtigkeit und Chancengleichheit, hier kein Problem sieht, wenn einzelne Kinder einfach ein paar Tage länger Ferien haben als die anderen dummen, die am letzten Schultag noch ihre Pflicht erfüllen. Natürlich ist es verständlich, dass Eltern schulpflichtiger Kinder sich Geld sparen wollen, denn sowohl Flug- als auch Hotelkosten sowie die der Ferienhäuser steigen präzise mit Beginn der Ferien sprunghaft an. Doch ist das die eigentliche Ungerechtigkeit und Gemeinheit, die Sie anprangern sollten! Mariangela Zaby, Friedberg

Längst überfällige Kontrolle

Fragen eines pensionierten Lehrers: Was sind das für Eltern, die ihre Kinder zu Unrechtmäßigkeiten erziehen? Was sind das für Eltern, die ihre Kinder dem Spott der Mitschüler aussetzen? Ha, da kommt ja der Billigflieger! Was sind das für Eltern, die den Polizeieinsatz für unangemessen halten, selbst aber vor den Augen ihrer Kinder Unrecht begehen? Wer sollte sonst die Kontrollen durchführen? Die Schule kann das nicht beziehungsweise darf es nicht! Was sagen diese Eltern zu Lehrern, wenn die zwei/drei Tage vor Ferienbeginn in Urlaub fliegen würden? Wie wollen diese Eltern vor Abhängigen bestehen, wenn sie selbst Unrecht begehen? Was ist aus unserer Gesellschaft geworden, die wegen des schnöden Mammons Unrecht begeht und ethische Werte vermissen lässt? Für mich war diese Kontrolle nicht überzogen und schon lange überfällig. Siegfried Krämer, Mindelheim

Zumutbare Pflicht

In jedem Artikel zur Verbesserung von Lebenschancen steht "Bildung" ganz oben. Schulpflicht ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Wer schon damit die Schulpflicht infrage stellt, hier sehr gute Gründe verlangt und die persönliche Freiheit von Eltern und Schülern ins Feld führt, verlässt einen seit Langem bestehenden gesellschaftlichen Konsens. Schwierig, da überhaupt zu argumentieren. 40 von 52 Kalenderwochen sind Schulwochen. Bei zwölf Ferienwochen im Jahr ist die Anwesenheitspflicht für die Schulwochen ja wohl zumutbar. Wohin soll das Katz- und Maus- Spiel mit den Reiseanbietern denn führen? In der Schule müssen Lehrplaninhalte abgearbeitet und Prüfungen gehalten werden. Dazu ist der volle Zeitraum nötig, nicht noch weiter verkürzt durch eigenmächtige Ferienverlängerung und "Krankheiten" an Brückentagen. Lehrer nehmen Korrekturen mit in die unterrichtsfreie Zeit, damit während der Unterrichtswochen genug Zeit für die aktuelle Unterrichtsvorbereitung bleibt. Nachholklausuren zu erstellen kostet mehrere Stunden Arbeitszeit. Wenn's denn ärgerlicherweise sein muss, dann bitte gegen Gebühren (Vorschlag: 100 Euro pro Verursacher). Eva Ulrich, Nürnberg

Wenn das alle machen...

Ein paar Hundert Euro gespart, weil eine Urlaubsreise bekanntermaßen billiger ist, wenn sie schon außerhalb der Ferien beginnt. Jeder weiß das. Warum nehmen dann nicht alle Eltern ihre Kinder vorzeitig und unentschuldigt aus der Schule? Weil halt doch die meisten ein grundsätzlich richtiges Verständnis von Ehrlichkeit und Anstand haben. Sie sind nicht die cleveren Trickser, denen so etwas wie Solidarität fremd ist und die sich ganz egoistisch zum eigenen Vorteil darüber hinwegsetzen, was sich eigentlich gehört. Wird den Kindern da etwas vorbildlich vorgelebt, was sie selber einmal nachmachen sollen?

Wenn sich dann GEW- oder Polizeigewerkschaftsfunktionäre aufregen und Journalisten diese Aktion der Polizei amüsiert kommentieren, dann frage ich mich schon, welches Werteverständnis da durchschimmert. Was, wenn die Anständigen das auch alle machen? Warum - Vorsicht Ironie - holen die Trickser ihre Kinder nicht gleich von der Schule ab, wenn ein besonders günstiges Last-minute-Angebot geschnappt werden kann? Und wer, wenn nicht die Polizei sollte ein solches Fehlverhalten feststellen? Das Personal beim Einchecken? Ein Vertreter der Schulbehörde am Check-in-Schalter? Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, wenn die Polizei schon vor zwei, drei Wochen diese Aktion angekündigt hätte, wie sie es bei einem Blitzmarathon auch macht. Da hätten sich diejenigen nicht mehr so überschlau empfunden, die ihre Flüge schon wesentlich früher geplant, gebucht, bezahlt hatten. Gerade diese "Erziehungsberechtigten" träfe dann ein Bußgeld an ihrem empfindlichsten Körperteil. Warum sollen die Anständigen die Dummen sein und Kindern Lug und Trug als Kavaliersdelikt ungestraft vorgelebt werden dürfen?" Erwin Haydn, Wörthsee

Bildungsrecht der Schüler

Das mit der Schulpflicht haben sie wohl zu wörtlich genommen. Sie ist keine Pflicht, sondern ein Recht der Schüler. Und um dieses zu verteidigen, ist die Polizei genau das richtige Instrument. Eltern, die ihren Kindern dieses Bildungsrecht verwehren, nur um ein paar Euro beim Urlaub zu sparen, verhalten sich - na ja - zumindest asozial, oder eben kriminell. Ganz billig ist dann das übliche Schimpfen auf die Lehrer, die ja ohnehin nix mehr machen in der letzten Woche. Wie denn auch, wenn nur noch ein Bruchteil der Schüler da ist. Es ist eben genau diese Einstellung zu Schule und Lehrern, die das Unterrichten immer schwerer macht, da die Schüler von ihren Eltern natürlich diese übernehmen. Ist ja nicht so wichtig: Geld, Urlaub (Kommerz), sozialer Stand - kommt alles vorher. Und wenn dann am Ende die Noten nicht passen, sind natürlich die Lehrer oder gleich das ganze System schuld. Aber dafür gibt es dann zum Glück ja noch Anwälte. Deren Eltern haben allerdings die Schulpflicht bestimmt wörtlich genommen. Christian Ludt, München

Kein Verständnis

Mag sein, dass es wichtigere Aufgaben für die Polizei gibt. Mit einem simplen Datenaustausch zwischen Flughafen und Schulämtern hätte man die Sache geräuschlos erledigen können. Aber dass es endlich mal die Oberschlauen erwischt, finde ich klasse! Familien mit Kindern hätten sowieso Verständnis fürs Blaumachen? Geht's noch? Eine minimale Minderheit nimmt sich Sonderrechte heraus, untergräbt Anstand und Rechtsempfinden und bekommt Beifall? Und die Schule soll den Kindern dann Verantwortungsbewusstsein und Bürgersinn beibringen. Nach den Ferien, liebe Lehrerinnen und Lehrer, den Kommentar bitte in allen Sozialkunde- und Ethikstunden (Deutsch geht natürlich auch) diskutieren. Eugen Sell, München

Es geht um den Respekt

Der Meinung von Martin Wittmann muss energisch widersprochen werden. Es handelt sich beim Schulschwänzen mitnichten um ein Kavaliersdelikt, das für einen Polizeieinsatz zu schade sein soll. Es geht hier doch nicht um einen versäumten Schultag, an dem erfahrungsgemäß nicht gerade ein neuer Stoff durchgenommen wird und für das Versäumen auch ein Husten als Entschuldigungsgrund reichen würde. Aber wenn sich Eltern entscheiden, die Ferien aus Preisgründen vorzuziehen oder zu verlängern, so höhlen sie damit die Achtung vor der Schule und damit auch vor der Ordnung des demokratischen Rechtsstaats aus. Wie sollen Kinder Respekt vor Schule und Lehrkräften haben, wenn die Eltern die Schulpflicht missachten, weil sie eigenmächtig bestimmen, wann ihre Kinder nicht in die Schule gehen? Solche Auswüchse zu verhindern ist nun einmal Sache der Polizei, vor allem, weil es durch dieses freche und egoistische Verhalten einiger weniger Eltern auch jede Menge Verlierer gibt: nämlich alle anständigen Eltern, die sich trotz höherer Reise- und Flugpreise an die geltende Ferienregelung halten. Es ist gut so, dass diese ehrlichen Familien durch diese Kontrollaktion von der Polizei geschützt und bestärkt werden. Sehr schade, dass nicht auch am Münchner Flughafen umfassend kontrolliert wurde. Es hätte sich bestimmt rentiert. Rainer Pippig, Neuried

© SZ vom 02.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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