Polen:Die EU tut nichts

Lesezeit: 1 min

Im östlichen Nachbarland werden Demokratie und Rechtsstaat Schritt für Schritt abgebaut. Ein Leser findet, die Europäische Union müsse sich stärker positionieren und endlich finanzielle Strafen gegen Warschau verhängen.

"Auf dem Tiefpunkt" vom 25. Juli:

Was tut eigentlich die EU für die Erhaltung der polnischen Rechtstaatlichkeit? Es ist in zweierlei Hinsicht bedrückend, dass in Polen laut EU-Kommission und der Venedig-Kommission des Europarats "etliche verabschiedete Gesetze der Verfassung oder europäischem Recht" widersprechen. Einerseits drohen unserem Nachbarvolk erneut Rechtlosigkeit und Unterdrückung der Meinungsfreiheit, wie in den rund 50 Jahren kommunistischer Herrschaft, ganz zu schweigen von den beinahe sechs Jahren deutscher Besetzung. Allerdings sind die kommenden Unterdrücker nicht von außen gesteuert wie unter dem Kommunismus, oder so das Polentum negierend wie der gewalttätige Nachbar, das Deutsche Reich. Heute sind es reaktionäre Polen, die zum Teil selbst Opfer der Rechtlosigkeit und Unterdrückung der Meinungsfreiheit durch die Kommunisten und Deutschen gewesen sind. Es gab damals allerdings auch keinen Staat und keine starke Organisation wie die EU, die den Polen wirklich hätten helfen können.

Andererseits ist es sehr schmerzlich zu beobachten, wie die EU, zu deren unverzichtbaren Verfassungsgrundsätzen Rechtstaatlichkeit und Meinungsfreiheit gehören, Polen zwar mit 13,7 Mrd Euro (2014) finanziell unterstützt, aber nahezu nichts unternimmt, um Polen wieder auf den Weg zur Rechtstaatlichkeit zurückzuführen. Dabei hat die EU bei Regelverletzungen ihrer Mitglieder Werkzeuge, mit denen dem Übeltäter die EU-konforme Richtung gewiesen werden kann. Zum Beispiel werden EU-Staaten, die wiederholt zu hohe Schulden machen, schmerzliche Strafzahlungen angedroht.

Die EU ist seit 1993 nicht mehr die EWG. Es ist sehr an der Zeit, auch politische Verstöße so zu ahnden, dass sie wehtun, wie eine Verringerung oder gar Streichung jener erwähnten Zuschüsse. Anders kann den Polen, die weiterhin in einem Rechtsstaat mit Meinungsfreiheit leben wollen, nicht geholfen werden. In der heutigen Situation können sich diese Polen leider nicht mehr selber helfen. Kaczyński, der wahre Herrscher Polens, ist schon mindestens so weit wie Erdoğan. Ich wundere mich auch über Seehofer, der zwar die EU-Beitrittsverhandlungen mit den Türken ergebnislos beenden möchte, aber die schweren Rechtsverletzungen im katholischen Polen zu ignorieren scheint. Dietram Hoffmann, Überlingen

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen.

forum@sueddeutsche.de

© SZ vom 12.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: