Olympia 1936:Mutige Freundschaft

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Jesse Owens, Olympiasieger von 1936, und sein Konkurrent Luz Long wurden bei den Olympischen Spielen in Berlin zu Freunden. Trotz Krieg und Propaganda hielt ihre Freundschaft ein Leben lang. Ein Leser erinnert daran.

Jens Biskys Artikel "Blut und Champagner" vom 23. Juni über die Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin ist illustriert mit der Siegerehrung im Weitsprung: Jesse Owens vor Luz Long und Naoto Tajima. Hierzu gratuliere ich der Redaktion aus folgendem Grund besonders herzlich: Luz Long, Vorzeigeathlet Hitlers, war Jesse Owens schärfster Konkurrent. Am 4. August, dem dritten Wettkampftag, stand Owens unter besonderem Druck: 200‐Meter‐Vorlauf und Qualifikation für den Weitsprung (mindestens 7,15 Meter) am Vormittag und Runde zwei der 200‐Meter am Nachmittag. Bei der Qualifikation für den Weitsprung wertet der Kampfrichter einen Probelauf von Owens ohne Absprung als ungültigen ersten Versuch und Owens springt beim zweiten nur 7,09 Meter.

Da spürt er, wie er selbst später geschildert hat, plötzlich eine Hand auf seiner Schulter: "Hallo, ich bin Luz Long. Was ist los mit Dir? Warum ziehst Du nicht einfach Deine Absprunglinie mehrere Zentimeter vor dem Absprungbalken? Du schaffst trotzdem spielend die verlangte Weite!" Nach Owens Sieg ist Long sein erster Gratulant und reißt wie ein Ringrichter dessen Arm in die Höhe. Arm in Arm gehen die beiden an Hitlers Loge vorbei. Owens später: "Es brauchte sehr viel Mut, um sich vor den Augen Hitlers mit mir anzufreunden."

Zwischen den beiden entstand eine Brieffreundschaft: Sie endete am 14. Juli 1943 mit dem Tod des 30 Jahre alten Obergefreiten Luz Long in einem britischen Lazarett; er erlag seinen schweren Verletzungen, die er sich bei den Abwehrkämpfen der Wehrmacht auf Sizilien gegen die dort gelandeten Alliierten zugezogen hatte.

Longs letztes Schreiben an Owens, das schon Wochen zuvor an der nordafrikanischen Front per Feldpost nach Cleveland auf den Weg gebracht worden war, lautet: "Mein Herz sagt mir, dass dieser Brief der letzte meines Lebens ist. Wenn es so ist, möchte ich Dich um etwas bitten. Nach Kriegsende gehe nach Deutschland, finde meinen Sohn und erzähl' ihm von der Zeit, als der Krieg uns noch nicht trennte." Owens erfüllte den letzten Wunsch seines deutschen Freundes. Er kam mit den Harlem Globetrotters 1951 nach Deutschland und traf Longs Sohn Kai in Hamburg: "Ich habe Lutz wiedergesehen. Im Gesicht seines Sohnes." (Quelle: Michael Gernandt: "Mehr als Schwarzweiß" SZ vom 5./6. Dezember 2009) Prof. Richard Motsch, Bonn

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

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© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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