NSU-Prozess:Es bleiben viele Fragen

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Jetzt, da sich der NSU-Prozess dem Ende zuneigt, ziehen nicht nur Journalisten wie Annette Ramelsberger Bilanz. Ein Leser hofft, dass nun allen klar geworden ist, wie sehr Fremdenfeindlichkeit in manchen Köpfen verankert ist. Und er stellt Fragen an die Justiz.

"Wo es wehtut" vom 4. Mai:

Annette Ramelsberger hat recht: Der NSU-Prozess ist ein historisch wichtiger Prozess. Es ist offensichtlich in der Justiz angekommen, dass der Rechtsextremismus schon recht weit in die Gesellschaft eingedrungen ist. Hoffentlich ist es allen - nur mit Ausnahme der Unverbesserlichen - klar geworden, dass Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Verfolgung von Minderheiten nicht mit 1945 und der lächerlich kleinen Zahl an Prozessen gegen die Nazis und deren Helfershelfern "ausgerottet" wurden. Diese Ideologie war nie tot, sie hat nur geschlummert, zunächst in den Köpfen der Altnazis, die ziemlich bald wieder in Amt und Würden waren. Und die haben sie weitergegeben. Es braucht nur eine Minderheit, die in der Gesellschaft nicht viele Fürsprecher hat. Ausländer waren immer ein begehrtes Ziel. Zurzeit sind es die Muslime. Aus diesem Hass auf alles, was "nicht deutsch aussieht" hat der NSU gehandelt.

Was der Prozess in München aber nicht leisten kann oder auch nicht will, ist die Bewertung des Umfelds, in dem Beate Zschäpe und andere wirken konnten. Für mich stellen sich noch einige Fragen, die vor allem die Staatsanwaltschaft nicht beantworten will: Ist der NSU mit den drei bekannten Tätern jetzt aufgelöst oder halten die anderen Mitglieder nur zurzeit still? Wie ist es um die Verantwortung der staatlichen Stellen (Polizei, Verfassungsschutz etc.) bestellt? Warum konnte der NSU jahrelang unbehelligt morden? Hat die Polizei bewusst in die falsche Richtung ermittelt oder war sie "nur" blind?

Der NSU-Prozess wird die Schuld einiger weniger bewerten; die anderen werden - einige davon geschützt durch staatliche Stellen - weitermachen können. Argumente, warum "Fremde" nicht zu Deutschland gehören, werden jetzt schon durch eine Parlamentspartei geliefert. Der Prozess in München kann nur ein Anfang sein. Entscheidend wird sein, ob wir es schaffen, der nationalistischen, fremdenfeindlichen Ideologie die Stirn zu bieten. Die Ereignisse der vergangenen Jahre lassen aber vermuten, dass dies zurzeit nicht funktioniert. Wir schaffen es nicht einmal, Staatsdiener, die die Bundesrepublik nicht anerkennen und die zurück ins Dritte Reich wollen, aus dem Staatsdienst zu entfernen, darunter auch Polizisten.

Thomas Spiewok, Hanau

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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