Methadon:Gut ist, was Hoffnung gibt

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Die Ersatzdroge Methadon gilt als Wundermittel gegen Krebs. Belegt ist der Nutzen für den Menschen nicht. Eine klinische Studie soll Fakten schaffen, mit Ergebnissen ist frühestens 2022 zu rechnen. Trotzdem sei es richtig, die Hoffnung wachzuhalten.

Der Nutzen von Methadon gegen Krebs ist nicht belegt. Eine Studie an Patienten soll Fakten schaffen. Mit Ergebnissen ist frühestens 2022 zu rechnen. (Foto: Frank Leonhardt/dpa)

"Misstrauen als Nebenwirkung" vom 8. August, "Dröhnung gegen Krebs" vom 24. Juli:

Patienten verstehen lernen

Wieder einmal scheint sich die Wissenschaft in ihrer Omnipotenz auf den Sockel der Allwissenden und Allherrschenden zu stellen. Beim Thema Methadon in der Tumortherapie - als Adjuvans wohlgemerkt - bricht wieder, wie so oft bei Neuerungen in der Tumortherapie, das Geheule der "evidenzbasierten Medizin" der Universitätsmediziner aus. Zunächst: Worum geht es eigentlich? Doch vor allem um Methadon mit angeblich so unbeschreiblichen Nebenwirkungen. Methadon wird in der Entwöhnung Heroinabhängiger seit Langem erfolgreich eingesetzt und wurde 2005 von der WHO in die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufgenommen. Dass dieses Medikament als Opiat von Haus aus Nebenwirkungen hat, ist unbestritten (so wie unbestritten ist, dass jedes Medikament neben Wirkung auch Nebenwirkung hat). Bei Methadon in der richtigen Wirkung sind es keine anderen Nebenwirkungen als die der millionenfach verordneten Opiate, genutzt als Schmerzmittel. Warum beschaffen sich Tumorpatienten - als Strohhalm, der für sie aber lebensnotwendig ist - Methadon? Doch offensichtlich, weil die Krebsmediziner der Universitäten es nicht schaffen, diese Tumorpatienten adäquat zu begleiten und ihnen die Ängste zu nehmen. Die Patienten fühlen sich von den Ärzten mit Goldrandbrille im weißen Kittel alleine gelassen und ihre Zeit verrinnt.

Fazit: Erstens, dies ist kein Statement für den unkritischen Einsatz von Methadon. Zweitens, Methadon und Chemotherapie sind kein Krebsallheilmittel. Drittens, wenn Tumorpatienten - und es geht offensichtlich um schwere und schwerste Tumorerkrankungen - Methadon als Adjuvans benutzen wollen, sollten wir Mediziner uns nicht sofort angegriffen fühlen. Es gilt vielmehr, die Ängste unserer Patienten und die damit verbundenen Handlungen zu verstehen. Es gilt, unsere Patienten mit Empathie zu begleiten und nicht unsere wissenschaftlichen Streitigkeiten auf deren Rücken auszutragen.

Dr. Wolfgang Frimmel, Uhldingen-Mühlhofen

Die Wirkung zählt

Als betroffene Krebspatientin möchte ich gerne wissen: Was ist eine gefährliche Hoffnung? Oder eine falsche Hoffnung? Ich erlebe dauernd, dass zugelassene Chemos falsche Hoffnungen gemacht haben, gepaart mit einem heftigen Verlust der Lebensqualität. Hoffnung kann nicht gefährlich oder falsch sein. Hoffnung kann immer nur positiv wirken.

Heike Künstler, Nettetal

Bewährtes Schmerzmittel

In welchem Maß hier unbegründete Hoffnungen geschürt werden, hängt auch sehr stark davon ab, dass das Thema eben nur in den sozialen Medien herumgereicht wird und sich seriöse Ärzte davon lieber fernhalten, um es sich mit der Pharmaindustrie nicht zu verscherzen. Denn ehrlicherweise müssen sich die Vertreter der neuen Medikamente dasselbe vorwerfen lassen. Ob es nun Avastin oder Ibrance ist - den Herstellern fällt es schwer, den Nutzen ihrer neuen und vor allem sündhaft teuren Medikamente seriös zu belegen. Das Argument der Erzeugung von Hoffnungen ist für alle Behandlungsmethoden ein relevantes Thema und erfordert verantwortungsvolle Ärzte, die den Patienten durch eine Behandlung leiten. Hoffnung ist bei allen Behandlungsmethoden von Krebs immer ein sensibles Thema und keines alleine von Methadon und Krebs.

Es sei darauf hingewiesen, dass die angeführten Kritiken übersehen, dass es inhaltlich schon ein Unterschied ist, ob ich eine neue chemische Substanz zur Behandlung zulassen will, mit der es noch keine Erfahrungen gibt, also absolutes Neuland betreten wird. Oder ob ich für die Behandlung auf lang bekannte Medikamente mit Erfahrungen zurückgreife, die erforscht sind. Zudem ist Methadon, als Wirkverstärker eingesetzt, kein zusätzliches Medikament in der Chemotherapie, sondern nur der Ersatz für die parallel sowieso erforderliche Schmerztherapie.

Peter Reichelt, Köln

Mehr Chance als Risiko

In dem Beitrag wird kritisiert, dass Methadon trotz fehlender Studien als Heilmittel gepriesen wird. Auch wenn keine klinischen Studien vorliegen (warum auch immer), waren vorläufige Tierversuche und Laborexperimente im Hinblick auf Lebenserwartung und Wohlbefinden ermutigend. Meine Kritik zielt auf die einseitige Berichterstattung. Eine Patientin mit einer Lebenserwartung von Wochen oder Monaten hat nach Abwägung deutlich größere Chancen als Risiken.

Andre Greber, Stuttgart

© SZ vom 23.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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