Lustpille für Frauen:Reden wir über Sex

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Weibliche Lust ist komplex, und sie funktioniert anders als die männliche. Die Einführung der luststeigernden Pille Addyi aber soll das ändern. Eine SZ-Leserin plädiert stattdessen für einen neuen Umgang: Man muss darüber reden.

"Lustgewinn" vom 20. August:

Weibliche Lust ist komplex, und sie funktioniert anders als die männliche. Das ist soweit bekannt. Weder ist deshalb die männliche Sexualität zu verteufeln ("die wollen ja eh immer"), noch die weibliche zu pathologisieren; Letzteres geschieht aber gerade durch die Einführung der luststeigernden Pille Addyi.

Sollte es Frauen geben, die tatsächlich ohne äußeren Druck, der etwa durch den Partner, die Gesellschaft oder neuerdings ja auch durch die Pharmaindustrie aufgebaut wird, an ihrer geringen Libido leiden, so könnte das neue Präparat helfen.

Meines Erachtens jedoch ist das, was tatsächlich dringend vonnöten ist, keine luststeigernde Pille und erst recht sind es keine Pseudo-Feministinnen, die diese auch noch als Akt der Befreiung feiern, sondern ein ehrlicher öffentlicher Diskurs über die Unterschiede in der männlichen und weiblichen Sexualität.

Tatsächlich stellt dies nämlich in unserer ach so tabulosen Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema dar, über das sich häufig noch nicht einmal Frauen untereinander zu sprechen trauen. Stattdessen wird medial das Bild eines glücklichen Sexlebens mit dem Bild häufigen Geschlechtsverkehrs gleichgesetzt und die sexuelle Sozialisation allzu vieler Jugendlicher findet im Netz über pornografische Seiten statt, deren Inhalte sich klar an der männlichen Lust orientieren, was dazu führt, dass häufig von Beginn an ein unrealistisches oder sehr diffuses Bild weiblicher Lust vermittelt wird. Infolgedessen herrschen Rat- und Sprachlosigkeit in den Schlafzimmern, und, bewusst oder unbewusst, wird in Frauen großer Druck aufgebaut: Warum will ich nicht so oft? Was stimmt mit mir nicht?

Meiner Meinung nach wird durch die Einführung dieses Medikaments nun zweierlei suggeriert: zum einen, dass fehlende weibliche Lust krankhaft sei und behandelt werden sollte, und zum anderen, dass es für diese hochkomplexe Angelegenheit eine einfache Lösung gibt ("Pille rein, los geht's").

Sollte nicht stattdessen viel eher die Kommunikation über Sex, vor allem auch in den Beziehungen, offener und ehrlicher werden? Sollten wir nicht eher anfangen, Sexualität als Akt zwischen gleichberechtigten Partnern zu begreifen, deren Bedürfnisse in Einklang gebracht werden sollten, ohne dass dabei einer die seinen "therapieren" muss? Sollte nicht gerade jungen Frauen Respekt vor ihrem Körper und ihrer eigenen Befindlichkeit im Bett vermittelt werden, statt durch eine Pille eine Angleichung der weiblichen an die männliche Lust zu propagieren? Sollte nicht den Männern die Unsicherheit im Umgang mit der Sexualität ihrer Partnerin genommen werden, indem ein ehrlicher Diskurs zu diesem Thema angeregt wird?

Ein Problem, das erwiesenermaßen im Kopf entsteht, sollte man auch dort lösen, und zwar durch den offenen und fantasievollen Umgang miteinander, nicht durch eine rosa Pille. Judith Geiger, Freiberg am Neckar

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

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© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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