Latein:Erst Sklave, dann Freund

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Warum sollten Schüler heute noch Latein lernen? Zu dieser Debatte hat Burkhard Müller jüngst im Artikel "Warum reden die denn so komisch?" seinen Beitrag geleistet. Ein Leser, selbst Lateinlehrer, widerspricht ihm hier.

"Warum reden die denn so komisch?" vom 6. Februar:

Wenn Latein je wieder Standard in Europa werden sollte, dann wohl nicht durch eine von Burkhard Müller gewünschte "Blut-, Schweiß- und Tränenrede". Auch auf den schulischen Zwang, der zur Freiheit und Dankbarkeit führen soll, würde ich nicht setzen wollen. Kindgemäß ist das "besinnungslose Hineinwachsen ins Fremde", siehe Englisch, Französisch etc. auch im Lateinischen. Und Jugendliche sind für orchideenfachverdächtige Alternativen nach meiner Erfahrung eher zu haben als für langweilige linguistische oder technische Basics. Die Erwachsenen schließlich können auf Bildungsratschläge verzichten. Sie wissen, wo sie Trost finden, und sei es bei Seneca oder Vergil.

Aus meiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Lateinlehrer am Gymnasium und einer Berufsoberschule kenne ich die Situation, jedenfalls in Bayern. Mit dem Rücken zur Wand? Wer je den zitierten Valahfridus Stroh auf dem Weg zur Vorlesung in die LMU schweben sah, Minuten bevor er, Cicero Monacensis, im überbelegten Hörsaal lateinisch die Einführung zu dem deutsch folgenden Vortrag intonierte, war motiviert, für Studium, Lehramt, Hinwendung zu den Quellen Europas. Was heißt da "ästhetischer Zyklopismus"? Schönheit hat ihren Preis, aber man kann ihn gering halten. Dass aus Sklaven Freunde werden sollen, war den Stoikern immer schon klar. Cicero hat es mit Tiro vorgelebt, Generationen vor Paulus.

Übrigens ist Caesar, der Massenmörder, sehr spät im Lateinunterricht aufgetaucht und bis auf einen kleinen Anstandsrest problemlos durch eine anmutige Komödie von Terenz zu ersetzen, einen von Cicero hochgeschätzten Autor und ein Beispiel dafür, dass man als afrikanischer Sklave in Rom Karriere machen konnte. Also keine Resignation!

Peter Berber, Kirchdorf/Inn

© SZ vom 21.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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