Kreuz:Symbol des Staates, des Glaubens, der Gewalt ...

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Der Kreuz-Erlass des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder ist für Leserinnen und Leser nach wie vor ein großes Thema, wie diese Briefe zeigen.

So wird's gemacht: Markus Söder und das Kreuz. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

"Kretschmann verspottet Söder" vom 8. Mai, "Fremd im Freistaat" vom 5./6. Mai und "Thron und Altar - das war einmal" vom 2. Mai:

Ruhe bewahren und nachdenken

Das Thema "Kreuze in bayerischen Ämtern" hat große Wellen, ja geradezu Wogen geschlagen. Sogar die kirchlichen Würdenträger Bayerns haben sich deutlich gegen den Vorschlag der Landesregierung gestellt. Man fragt sich, war das wirklich nötig? Man hat offensichtlich übersehen, dass das Kreuz - nicht nur als Wort, sondern auch als Symbol - zum Bestandteil des deutschen Staatswesens gehört. Oder sollen wir jetzt das "Bundesverdienstkreuz" abschaffen? Oder müssen wir für die Flugzeuge der Bundeswehr anstatt des Kreuzsymbols ein neues Erkennungszeichen suchen? Also bitte Ruhe bewahren und zuerst nachdenken, ehe man sich verrennt.

Hans-Jürgen Müller, Gräfelfing

Ganz schön mutig

Nachdem in unserem Land immer mehr Menschen ohne Beziehung zu Gott leben, ist es mutig von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, wenn er mit dem Aufhängen des Kreuzes zeigt, dass er sein Amt in der Verantwortung vor diesem Gott und mit seiner Hilfe ausüben möchte. Toleranz dieser Einstellung gegenüber ist in unserer Gesellschaft nämlich weniger vorhanden als allen anderen Überzeugungen gegenüber, und man muss mit Häme und Spott rechnen, was die Titelseite der SZ vom 8. Mai belegt.

Gewiss ist im Namen der Christenheit auch viel Schlimmes geschehen, was nicht entschuldigt werden darf, aber wer die Bergpredigt Jesu kennt, weiß, dass diese Handlungen nichts mit Jesu Willen zu tun haben. Die Religiosität der Menschen und ihre Unwissenheit bezüglich des Inhalts der Bibel wurden für eigene und politische Zwecke missbraucht.

Es ist ähnlich wie mit der Lehre von Karl Marx, der ja jetzt erst seinen 200. Geburtstag hatte. Seine Lehre brachte Regime hervor, die Marx wahrscheinlich so nie gewollt hätte. Karl Marx hatte ja aufgezeigt, dass der Kapitalismus viel Verderben nach sich zieht und die Menschen ausbeutet. Heute sehen wir an der immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich weltweit, wie recht er hatte.

Doris Beldzig, Planegg

Moderner Kreuzritter

Es war 1944. Lungenkranke Berliner Kinder wurden in weniger gefährdete Lungenheilstätten Deutschlands gebracht. Ich war vier Jahre alt. Am Bahnhof Zoo übergab mich meine Mutter einem Soldaten, der den Zug begleitete. Tagelange Fahrt, buchstäblich mutterseelenallein ging es nach Wangen im Allgäu, wo eine Lungenheilstätte von Nonnen geleitet wurde. Mein Schlafraum: sehr hohe Decken, große Säle, karge Eisenbetten und über meinem Bett an der Stirnseite ein sehr großes Kruzifix mit dem "Erlöser" aus dessen Händen, Füßen und Seite das Blut tropfte.

Wenn die Schwestern mit Kerzen in den Händen ihren Kontrollgang machten, bewegte sich der "Herr" und sein von unten angestrahltes Gesicht litt dämonisch herunter. Dort wurde der Grundstock für meine Abneigung gegen das Christentum gelegt. Ein einsames Kind ohne Kontakt zur Mutter, Nonnen übergeben, die auch mal zuschlugen und über allem der "Herr am Kreuz": Guck mal, mir geht's noch schlechter. Markus Söder, der moderne Kreuzritter. Unterm Kreuz wurde gemordet und geraubt. Söder will ja nur Stimmen rauben: Kreuz voran, wir folgen Dir.

Uta Stiefvater, Breisach

Gott sei Dank Vergangenheit

In Ihrer Ausgabe Nr.103 in der Rubrik "Gesellschaft" habe ich den in meinen Augen hervorragenden Artikel des Historikers Michael Brenner gelesen. Für mich als Bewohner einer ehemaligen bayrischen Provinz, der Pfalz, war dieser Artikel ein Highlight unter allen Beiträgen die zum Kreuz-/Kruzifix-Erlass von dem neuen Ministerpräsidenten Bayerns, Markus Söder, geschrieben wurde. Mit aus seiner persönlichen Lebensgeschichte geschilderten Empfindungen bezüglich der Begründung für das Aufhängen des Kreuzes/Kruzifixes in bayrischen Amtsstuben entlarvt er auf grandiose Weise den eigentlichen Grund für diese Kampagne. Ich bin froh, dass die Pfalz seit einiger Zeit nicht mehr zu Bayern gehört, sonst würden in den Ämtern von Landau/Pfalz, Neustadt/Weinstraße, Bad Bergzabern und Germersheim auch noch diese Kreuze/Kruzifixe angebracht werden.

Siegfried Pletschke, Bad Dürkheim

Ein Hohn

Dass unser Land von der christlich-jüdischen Tradition geprägt sei, ist für mich geradezu ein Hohn. Was hat diese Prägung während der Nazizeit wirklich bewirkt? Absolut nichts! Mehr als sechs Millionen ermordete Juden, Sinti, Roma, politisch Verfolgte und weitere zig Millionen an Toten in einem unfassbar brutalen, von Deutschland zu verantwortenden Krieg. Ich staune immer wieder angesichts dieser schrecklichen Verbrechen, dass uns der Großteil der unschuldig Betroffenen vergeben hat und wir heute wieder ein akzeptiertes Mitglied der Völkergemeinschaft sind.

Viktor Gartner, Ainring-Mitterfelden

Populismus-Volte

Michael Brenner und der SZ sei Dank dafür, dass sie einmal darauf hinweisen, was im Zeichen des Kreuzes tatsächlich in die Welt getragen wurde. Nicht erwähnt wird leider die Welt außerhalb Europas, der Teil somit, in dem dieser Glaube definitiv nicht verwurzelt ist, in den er aber von christlichen Eroberern mit unfassbarer Rücksichtslosigkeit und menschenverachtender Brutalität gezwungen wurde. Und ergänzen ließe sich, dass Toleranz, Bildung und Prosperität im Süden Europas besonders gediehen, als dort arabische Herrscher wirkten. Judenverfolgung und Hexenverbrennungen wurden erst wieder nach der "christlichen" Reconquista aufgenommen, und ebenso die Verfolgung moderner Wissenschaft als Ketzerei. Nicht nur jüdischen, welchen auch immer oder gar keines Glaubens muss man sich von Söders Populismus-Volte ausgegrenzt fühlen, sondern vor allem auch als liberal denkender Bürger, der den Begriff "Nächstenliebe" im Wortsinne anwenden möchte.

Michael-Alexander Seitz, München

Spott ist das nicht

"Kretschmann verspottet Söder" - wer erdreistet sich da, unserem Ministerpräsidenten zu nahe zu treten? Das hat doch wahrhaft weltpolitische Bedeutung und gehört als Topmeldung auf die Titelseite!

Andererseits: Wie kann eine seriöse Tageszeitung wie die SZ eine so unsachliche, bedeutungslose Meldung auf die Titelseite setzen? Ist der politische Diskurs nicht schon emotionalisiert genug? Und weiter: Kretschmann äußert sich nur leicht amüsiert über Söders Pose mit dem erhobenen Kreuz in der Hand, Spott ist das nicht. Das Wesentliche in dem Interview mit der SZ ist, dass Herr Kretschmann sehr differenziert, abwägend und bodenständig zu politischen Fragen Stellung nimmt, ohne das übliche inhaltsleere Politgefasel.

Dass er zudem selbstkritisch und nicht ohne Humor seine frühere Sympathie für den Kommunismus mit dem Sendungsbewusstsein der Zeugen Jehovas vergleicht, bezeugt seine charakterliche und intellektuelle Souveränität, von der sich manche seiner Kollegen eine Scheibe abschneiden könnten ...

Sybille Böhm, München

Grausame Gottesvorstellung

Markus Söder möge bedenken, dass das Kreuz das Symbol ist für eine grausame "steinzeitliche" (Uwe Lehnert) Gottesvorstellung, nach der Gott eines Menschenopfers bedarf, des Kreuzestodes seines Sohnes, um seinen Zorn über die angeblich erbliche Sünde Adams, die allgemeine Sündhaftigkeit der Menschen, zu stillen. Jesus war lebenslang ein gläubiger Jude; von einer "Lamm-Gottes-Fantasie" oder von einer "Sündenbocktheorie" hatte er keine Ahnung.

Dr. Reinhold Ferrari, Kassel

Dann auch Fotovoltaik

Meine Freunde und ich wollen das Vorhaben des bayerischen Ministerpräsidenten, im Eingangsbereich jeder Behörde ein Kreuz aufzuhängen, weder bewerten noch beurteilen. Für uns wäre es sehr wertvoll, wenn es einen zweiten Schritt für die bayerischen Behörden gäbe: So sollten alle öffentlichen Gebäude Fotovoltaikanlagen einbauen und diese mit Stromspeichern ergänzen. So würden wir einem großen religiösen Ziel näherkommen, nämlich die Erde vor allzu vielen Verbrennungsvorgängen zu schützen. Und so kämen wir der unvermeidlichen und notwendigen Energiewende spürbar näher.

Reinhold Sing, Wittislingen

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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