Kreuz-Streit:Das Wort des Kardinals

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Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat jüngst im SZ-Interview den Kreuz-Erlass des bayerischen Ministerpräsidenten kritisiert. Dafür wird er hier gelobt - aber auch getadelt.

SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: N/A)

"Spaltung, Unruhe, Gegeneinander" und "Söders politische Messe" vom 30. April/1. Mai:

Politisches Gewicht überschätzt

Kardinal Reinhard Marx empört sich im SZ-Interview über die beabsichtigte Änderung der Geschäftsordnung der Staatsbehörden, im Eingangsbereich aller staatlichen Amtsgebäude Kreuze (nicht Kruzifixe) als Ausdruck unserer bayerischen Identität und christlich-jüdischen Prägung anzubringen. Er rückt diese Entscheidung in die Nähe von "staatlicher Enteignung des Kreuzes" und sieht darin Ursache für "Spaltung, Unruhe, Gegeneinander". Trickreich verstärkt er damit die Wirkung, die er tadelt.

Die Präambel unsrer Bayerischen Verfassung distanziert sich ausdrücklich von der Gottlosigkeit der NS-Staats- und Gesellschaftsordnung. Warum soll in staatlichen Behörden dann kein Symbol mit Gottesbezug Platz finden dürfen? Gerade im Hinblick auf nichtchristliche Bevölkerungsgruppen ist der Staat gut beraten, das Kreuz als Symbol nicht auf die christ-katholische Interpretation des Herrn Kardinal einzuengen. Vielleicht überschätzt Kardinal Marx sein politisches Gewicht: "Es besteht keine Staatskirche", Art. 142 Absatz 1 der Bayerischen Verfassung."

Horst Neumayr, Obergriesbach

Christlich sein - heute

Dank an Kardinal Marx für seine theologische Einschätzung und Dank an Heribert Prantl für seinen Kommentar zu Söders "unseligem" Kreuz-Erlass. Beide sprechen mir aus der Seele. Es ist unsäglich, was sich diese CSU und ihr Ministerpräsident und der Generalsekretär hier erlauben. Und das wohl einzige Mitglied der Regierung, die diesen Erlass etwas differenzierter sieht und das auch sagt, fällt bis zum nächsten Morgen um. Das ist wohl auch bezeichnend für den Umgangsstil in dieser CSU-Regierung. Hoffentlich machen noch viele politisch und religiös denkende Menschen dem Ministerpräsidenten und seiner CSU klar, was "christlich" in unserer heutigen Gesellschaft bedeutet. "Kreuz-Befehle" und die Diskriminierung von Menschen, die daran berechtigte Kritik üben, gehören der Vergangenheit an.

Robert Bolz, München

So nicht

Ich bin ein altmodischer Christ und freue mich, wenn ich irgendwo einem Kreuz begegne. Für mich ist es das Zeichen, dass der Mensch, in dem Gott auf dieser armen Erde berührbar wurde, aus einer verrückten, niemanden ausschließenden Liebe heraus gestorben ist. Das Kreuz tröstet die "Weggeworfenen", wie sie Papst Franziskus nennt; es zeigt, auf welcher Seite Gott steht; es gibt die Motivation zum Lieben und die Kraft zum Kämpfen um eine gerechte Welt. Es ist kein Herrschaftszeichen, sondern eine befreiende Provokation. Soll es in Klassenzimmern und Gerichtssälen und Ämtern hängen, wenn das Schulkinder und Eltern oder Richter oder Sozialberater wollen! Gut so. Aber wenn mir ein machtgeiler Wahlkämpfer Kreuze im Dutzend vor die Nase hängen will, dessen ganze Politik Minderheiten, Schwache und Verfolgte mit Füßen tritt, die "geringsten Brüder" des Gekreuzigten also, und dessen Partei die ekelhaftesten Diktatoren von Pinochet bis Orbán umarmt hat, dann verbitte ich mir diese Heuchelei.

Christian Feldmann, Regensburg

Wie kann sich Kirche wehren?

In der politisch-juristischen Diskussion wird bislang immer nur die Beziehung zwischen dem Staat und seinen Bürgern unter der Frage thematisiert, wie weit das Gebot der Neutralität des Staates reicht. Ihr bemerkenswertes Interview mit Kardinal Marx bringt eine andere Frage in den Vordergrund: Wie können sich eigentlich Kirchen oder ihre Mitglieder gegen die politische Instrumentalisierung ihrer religiösen Symbole zur Wehr setzen? Muss ich mir als Mitglied einer christlichen Kirche gefallen lassen, dass ein bayerischer Politiker das Kreuz benutzt, um bessere Chancen für seinen Landtagswahlkampf zu erzeugen? Hut ab vor Kardinal Marx, dass er in diese Richtung argumentiert, bedauerlich, dass meine eigene, die evangelische Kirche, sich in diesem Punkt in Schweigen hüllt.

Prof. Lothar Zechlin, Essen

Bekenntnis ist gefordert

Jetzt überbieten sich unsere kirchlichen Würdenträger im Protest gegen Kreuze in den Eingangsbereichen staatlicher Gebäude. Sie gehören zu denjenigen, die ihr Kreuz am Tempelberg in Jerusalem verschämt in die Brusttasche steckten, um ja keinen Ärger zu erregen. Werden wir als Christen nicht von den Kirchen immer wieder aufgefordert, uns zu unserem Glauben zu bekennen? Aber wir sind ja so aufgeklärt. Nur keinen Ärger machen. Es könnte ja alles missverstanden werden. Wo bleiben die Proteste unserer Kirchenvertreter, wenn Christen weltweit massenhaft verfolgt werden? Wenn sie gehindert werden, ihren Glauben zu leben? Bei uns haben Kirche und Staat vor mehr als hundert Jahren das Bayernland der Muttergottes Maria geweiht. Maria als Schutzheilige Bayerns, als Patrona Bavariae. Vielleicht sollte man das Kreuzanbringen auch mal in diesem Kontext werten und nicht gleich Ministerpräsident Markus Söder unbewiesen "Wahlkampfmanöver" unterstellen.

Richard Lacher, Kösching

© SZ vom 12.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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