Klima:Die Erkenntnis ist da - allein, was hilft's?

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Silvia Liebrich hat im Samstagsessay Politiker und Wirtschaftsbosse aufgefordert, endlich der Klimakatastrophe entgegenzusteuern. Leser sehen wenig Grund zur Hoffnung.

Wie viele Plakate müssen noch geschrieben werden? Protest vor dem Bundeskanzleramt in Berlin. (Foto: Stefan Boness/Imago)

" Setzt endlich Grenzen" vom 16./17. Juni:

Sie reagieren nur auf Druck

Hunderte von Büchern sind schon über zerstörerischen Konsumzwang, über das Wachtumsdogma und über Verzicht geschrieben worden, man kann sagen, die Erkenntnis ist da - allein was hilft's? Politiker sollen Grenzen setzen, fordert Silvia Liebrich. Fragen Sie doch bitte umgekehrt: Warum machen dies die Politiker nicht? Oder auch: Warum werden weiterhin für den Individualverkehr nur Autos, mit welchem Antrieb auch immer, angeboten? Die Antwort ist: Es besteht kein Interesse, weder von politischer Seite wie auch von wirtschaftlicher Seite, etwas zu verändern. Die Politik ist heute nur an einem interessiert: an der Wiederwahl. Die Wirtschaft, in unserem kapitalistischen "Wertesystem" ist nur an einem interessiert, an möglichst viel Gewinn, bei kleinstmöglichem Investment. Das von der Autorin geforderte Wirtschaftsmodell kann auf keinen Fall kapitalistischer Natur sein, da dies allen wesentlichen Zügen des Kapitals widersprechen würde. Vernunft, Weitblick und Einsicht in die Notwendigkeit waren bisher nicht die treibenden Kräfte der Politik als auch der Wirtschaft. Die Geschichte hat uns gezeigt, dass nur auf äußersten Druck hin Politik und Wirtschaft reagiert haben.

Volker Boeckelmann, München

Hähnchenklein und Klamotten

Den Hauptaussagen von Silvia Liebrich ist voll und ganz zuzustimmen. Gut auch, dass dieser Beitrag im Wirtschaftsteil erschienen ist. Doch ob die Adressaten sich angesprochen fühlen, darf bezweifelt werden. Haben wir nicht in Erinnerung, dass Selbstverpflichtungen nie gewirkt haben und dass bei jeder Beschränkung gerade aus der Wirtschaft der größte Widerstand kam, sei es bei der Einführung von Abgasfiltern, des Katalysators, des Dosenpfands oder der Auszeichnungsverordnungen? Erleben wir nicht gerade die größten Betrügereien in der Autoindustrie? Sahen wir nicht den Widerstand beim Ausstieg aus der Kernenergie, sehen wir ihn nicht bei der Braunkohleverfeuerung? Wo steuert die Politik konsequent? Wo die Kapitalrendite im Vordergrund steht, ist alles andere nebensächlich. Notfalls kann ja noch mit dem drohenden Verlust von Arbeitsplätzen argumentiert werden.

Ein Bereich, in dem bereits die "Maßstäbe" gesetzt wurden, kommt in dem Artikel zu kurz: die internationale Politik. Ausgerechnet mit der Stärkung des Militärs und der Fortführung der traditionellen Entwicklungshilfe will man die Fluchtregionen stabilisieren. Dabei weiß doch jeder, dass dies weder in Afghanistan noch sonst wo funktioniert hat. Mehr Geld nach dem Gießkannenprinzip an korrupte Eliten zu verteilen, die mit ihrer Politik die Flüchtlingsströme mitverursacht haben, verschärft die Probleme. Solange wir mit Hilfe von Warlords die seltenen Erden für unsere smarten Fones fördern, solange wir die küstennahen Gebiete vor Afrika leerfischen, solange wir Hähnchenklein und Gebrauchtklamotten in Länder südlich der Sahara exportieren oder unseren Plastikabfall und unseren Elektroschrott zur "Verwertung" um die halbe Welt schicken, solange wird sich kaum etwas zum Besseren wenden. Klare Vorgaben durch die Politik sehe ich da nicht. Die Erde steuert weiter auf die Klimakatastrophe zu. Das war aber seit dem Bericht des Club of Rome 1974 bekannt.

Dr. Lothar Wieser, Mannheim

Einfach anders leben

Ja, da fühlt man zum einen Wut, Verzweiflung, Resignation; zumal, wenn man bedenkt, dass alle vier Tage eine Million Menschen dazukommen und den Druck auf Ressourcen, Umwelt und Klima erhöhen. Und man fragt sich, ob unser politisches und wirtschaftliches System vielleicht doch unfähig ist, diese Probleme zu bewältigen; oder ob der Mensch das Übel ist; denn es sind ja Menschen, die sich diese Systeme für ihre Interessen zunutze machen, und Menschen, die sich einlullen lassen und sich nicht genügend empören, aufschreien, solidarisieren, kämpfen. Auf der anderen Seite: Wer hindert mich, wenn nicht schon geschehen, mir selbst Grenzen zu setzen und ab sofort auf Flugreisen, Kreuzfahrten, Auto, Fleisch zu verzichten, bewusst einzukaufen, Müll zu vermeiden - kurz: einfach anders zu leben? Niemand. Was es mir bringen könnte? Es ist vielleicht - neben politischem oder gesellschaftlichem Engagement - die einzige Möglichkeit, ein Stück Selbstachtung zurückzugewinnen.

Ulrich Grode, Neumünster

© SZ vom 02.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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